Aerzte zum verlieben Band 55
farblich nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Er trug seinen königsblauen Schal zu brauner Jacke und schwarzer Hose. Der dichte, dunkle Bartschatten verlieh ihm etwas Verwegenes. Hayley verspürte ein sinnliches Prickeln auf der Haut und ärgerte sich darüber. Tom hatte ihr furchtbar wehgetan, sie sollte nichts mehr für ihn empfinden.
Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust. âInteressante Kombi hast du da an. Hat dich dein Streben nach Unabhängigkeit dazu getrieben, auch Gladys zu entlassen?â
Ihre sarkastische Bemerkung traf ihn unvorbereitet. Während Jared ihm auf der Fahrt hierher stolz von seiner Eins in Chemie berichtete, hatte Tom in Gedanken wiederholt, was er zu Hayley sagen wollte.
Er holte tief Luft und atmete dabei Hayleys wundervollen Duft ein. âIch war in der letzten Woche etwas abgelenkt.â
âTatsächlich?â
Der eisige Tonfall war nicht gerade ermunternd. âDarf ich reinkommen?â, fragte Tom trotzdem.
âWozu?â
âIch möchte mit dir reden.â
âIch weià nicht, ob ich â¦â Jetzt schwankte ihre Stimme leicht. â⦠mit dir reden möchte.â
Er hörte die Türangeln knarren und lieà seine Hand vorschnellen. Seine Fingerknöchel trafen auf etwas Weiches.
âAu!â Ihre Finger schlossen sich um seine Hand, stieÃen sie weg. âVerdammt, Tom, erst brichst du mir das Herz, und jetzt willst du mir ein blaues Auge verpassen?â
âEntschuldige, aber ich sehe nichts, und ich dachte, du machst die Tür zu. Du weiÃt, dass ich dir nie absichtlich wehtun würde.â
âAch ja?â
Sie klang so hart und unversöhnlich. Tom seufzte. âOkay, das habe ich verdient. Lass mich nur zehn Minuten mit dir reden, dann kannst du mich hinauswerfen.â
âNa schönâ, sagte sie hörbar resigniert. âZehn Schritte den Flur entlang.â Sie bot ihm nicht ihren Arm an. âHalt dich rechts, links steht ein Tischchen, dann zwei Schritte bis in die Küche. Der Tisch mit den Stühlen ist zu deiner Linken.â
Ihr abweisendes Verhalten machte es ihm schwer, sich zu konzentrieren, doch er schaffte es, zum Küchentisch zu gehen, ohne zu stolpern oder sich an etwas zu stoÃen. Als er sich setzte, hörte er Stuhlbeine über den Boden scharren und erahnte, wo sie saÃ.
Sie schwieg. Tom wandte sich ihr zu und hatte plötzlich das Gefühl, dass die schwierigste Aufgabe seines Lebens vor ihm lag. Der Schulabschluss, das Studium, sich aus der Armut zu befreien und sich einen Namen als Neurochirurg zu machen, ja, selbst der mühsame Weg, als Blinder das Leben zu meistern â all das wurde von dem, was er jetzt schaffen musste, in den Schatten gestellt.
Hayley zurückzugewinnen.
âHayley, die letzte Woche war die längste meines Lebens. Ich habe dich vermisst, deine Schusseligkeit, dein Klavierspiel, wie du quer im Bett liegst und wie leidenschaftlich du von deiner Arbeit erzählst. Du hast meine Wohnung mit Lachen erfüllt, und als du gegangen warst, herrschte dort nur eine groÃe Leere. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich erfahren, was Einsamkeit bedeutet.â
âDu hattest mich gebeten, zu gehen. Schaff dir einen Hund an, oder frag Jared, ob er in dein Gästezimmer einziehen will. Dann bist du nicht mehr einsam.â
âHast du nicht gehört, dass ich sagte, ich habe dich vermisst?â
âDoch.â
Nichts verlief so, wie er es geplant hatte. In seiner Verzweiflung warf er alles über den Haufen â bis auf das einzig Wichtige: âHayley, ich liebe dich.â
âNein, ich glaube eher, du verwechselst Liebe mit Einsamkeit.â Sie schob ihren Stuhl zurück. âIch kann nicht mehr deine Freundin sein oder deine Frau für gewisse Stunden. Leb wohl, Tom.â
Tom fühlte sich wie nach einem Schlag in die Magengrube. Er tastete nach seinem Stock an der Stuhllehne und stand auf. âHayley?â Ihr Duft hüllte ihn ein, also musste sie noch in der Nähe sein.
Sie blickte ihm ins Gesicht, in die vertrauten Züge, die manchmal wie aus Stein gemeiÃelt wirkten und dann wieder Zärtlichkeit und Leidenschaft widerspiegelten. Jetzt zeigten sie Gefühle, die sie noch nie bei Tom gesehen hatte ⦠Verzweiflung, fast flehentlich. Sie wollte ihm so gern glauben, dass er sie liebte, aber sie konnte ihm nicht mehr vertrauen.
âTom, ich verstehe
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