Aerzte zum Verlieben Band 57
Besonderes. „Nein, ich habe nur daran gedacht, wie herrlich das gewesen sein muss. Ich hätte auch gern so viel Freiheit gehabt.“
„Man hat mir eine lange Leine gelassen. Nicht nur, weil wir in einer guten Nachbarschaft lebten, wo jeder auf den anderen achtgegeben hat, sondern auch wegen bestimmter Umstände.“
„Welche denn?“
„Als ich fünfzehn war, hatte mein Vater einen schweren Unfall. Er war beim Fischfang draußen, geriet in einen Sturm, und der Bootskran wurde aus der Verankerung gerissen. Er fiel auf Dad und zertrümmerte ihm die Wirbelsäule. Seitdem sitzt Dad im Rollstuhl. Ich muss gestehen, dass ich damit anfangs nicht zurechtgekommen bin“, meinte er mit einem reumütigen Lächeln. „Mum musste sich verständlicherweise sehr um ihn kümmern, und ich war wütend, weil man mir den Vater, den ich kannte, weggenommen hatte. Ich verbrachte mehr Zeit auf dem Wasser als an Land, aber solange ich vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause war, ließen meine Eltern mich. Vielleicht habe ich beim Surfen Freiheit gesucht. Freiheit, die mein Vater verloren hatte.“
„Haben deine Eltern sich nicht irgendwann Sorgen gemacht? Oder konntest du den Rest deiner Jugend machen, was du wolltest?“ Bella fragte sich, ob Charlie und sie nicht doch etwas gemeinsam hatten. War er auch emotional vernachlässigt worden, so wie sie?
„Zu Hause spielte sich der Alltag ein, und ich begriff irgendwann, dass mein Vater immer noch der Alte war, nur körperlich verändert. Unser Verhältnis wurde wieder richtig gut. Dad hat sich bewundernswert schnell mit seiner Situation abgefunden, ohne daran zu verzweifeln. Und Mum war auch großartig. Sie ließen mir immer noch viel Freiheit, wenn ich nur Bescheid sagte, wo ich war. Da war ich schon ein ziemlich guter Surfer geworden, und ich glaube, sie waren stolz darauf. Allerdings bin ich nicht sicher, ob sie sich gefreut haben, als ich die Juniorweltmeisterschaft gewann und ihnen eröffnete, dass ich nicht zur Uni gehen, sondern Profi-Surfer werden wollte.“
Charlie zuckte mit den breiten Schultern und lächelte schwach. „Aber sie haben nicht versucht, es mir auszureden, sondern mich nur ermahnt, mir keine Chancen zu verbauen. Dad hatte nicht studiert, Fischen war das Einzige, was er konnte. Als ihm das genommen wurde, hielt er eine gute Ausbildung für noch wichtiger als vorher schon. Das ist wie eine Lebensversicherung, sagte er.“
„Dann hattest du also den Segen deiner Eltern, dir das Surfbrett unter den Arm zu klemmen und durch die Welt zu reisen?“
„Genau.“ Er lächelte sie offen an, und sie konnte nicht eine Spur von Verletztheit oder Enttäuschung in seinen dunkelbraunen Augen lesen. Dennoch fragte sie sich, wie er sich gefühlt hatte, als ein Unfall seine Surferkarriere jäh beendete. Ihm die Freiheit nahm, die ihm so wichtig war.
Aber sie traute sich nicht, eine so vertrauliche Frage zu stellen. „Ich bin immer noch neidisch“, sagte sie stattdessen. „Ich bin nie verreist. Mir kommt es vor, als hätte ich meine Kindheit und Jugend nur innerhalb irgendwelcher Mauern verbracht.“
„Keine Reisen? Kein Urlaub? Ich weiß, dass Evie oft zum Skilaufen gefahren ist, und war sie nach der Schule nicht eine Zeit lang in Europa? Hast du so etwas nicht gemacht?“
Die kastanienroten Locken tanzten auf ihren Schultern, als Bella den Kopf schüttelte. „Evie und Lexi haben viel mehr erlebt als ich. Es ist ja nicht ihre Schuld, aber ich wäre so gern zum Abschlussball meiner Highschool gegangen statt an dem Abend im Krankenhaus zu liegen. Ich hätte liebend gern auch eine Parisreise geschenkt bekommen, als ich mit der Schule fertig war. Doch leider sollte es nicht sein.“
„Bin ich nicht zu dir gekommen, an dem Abend deines Abschlussballs?“
Bella nickte. Ein warmes Glühen breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Er weiß es noch. Damals hatte sie zum ersten Mal mit Charlie gesprochen. Und nicht nur das, sie hatte ihm ihr Herz ausgeschüttet, und er hatte aufmerksam zugehört. An jenem Abend hatte sie sich in ihn verliebt …
Sie war achtzehn, er fünfundzwanzig, aber er wirkte viel reifer auf sie. Er hatte die Welt gesehen und studierte Medizin. An jenem Abend hatte er sie mit Geschichten aus dem Studium oder von Kommilitonen zum Lachen gebracht, sodass sie ihren Kummer wegen des Abschlussballs bald vergaß.
„Du hast mir Blumen und Pralinen mitgebracht“, sagte sie. Natürlich würde sie ihm nicht sagen, dass sie die Blüten gepresst hatte und sie
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