Aerzte Zum Verlieben Band 59
den Kopf gegen die Kachelwand, während er sich erinnerte, wie sie zu ihm in die Dusche gekommen war, um sich „sein Problem“ genauer anzusehen. Er dachte an die Zeit vor den Babys, den Fehlgeburten, den Depressionen und der Hölle, die sich in seiner Ehe aufgetan hatte. James lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, berührte sich dort, wo er sich Avas Hände wünschte … und hielt jäh inne.
Alles schien erstarrt.
Selbst das Wasser aus dem Duschkopf. Lähmende Stille breitete sich aus, bis seine Sinne wieder funktionierten und er das Wasser rauschen hörte. Da war eindeutig ein Knoten, wo keiner hingehörte. Er versuchte, den Arzt in sich zu wecken, mit professioneller Distanz die verdächtige Stelle zu untersuchen. Aber es gelang ihm nicht. Ihm brach der Schweiß aus, rann ihm über den Nacken.
Kalter Angstschweiß.
3. KAPITEL
„Nicht nötig“, antwortete James. „Außerdem bin ich nicht in der Stimmung.“
„Dann solltest du dich in Stimmung bringen“, sagte Donald brüsk. „Natürlich wirst du hinterher noch einen Hoden haben, aber falls du eine Chemo machen musst, ist Schluss mit Zeugungsfähigkeit. Da wäre es gut, für alle Fälle eine Samenprobe einzufrieren.“
„Wir haben beide vor langer Zeit beschlossen, dass wir keine Kinder haben werden.“
„James.“ Donald war schon immer sehr direkt gewesen, ganz anders als Ava, die die Dinge lieber behutsam anging. Bei diesem Gespräch, zu dem der behandelnde Onkologe James dringend geraten hatte, saß sie nun auf der Besucherseite des Schreibtischs, und es gefiel ihr überhaupt nicht. Mit versteinerter Miene hörte sie zu. „Eure Ehe ist am Ende“, fuhr ihr Kollege fort. „Eigentlich seid ihr nur noch zusammen, um nach außen hin den Schein zu wahren.“
„Das haben wir nicht gesagt!“, entfuhr es ihr heftiger als beabsichtigt. Aber es war James gewesen, der klare Verhältnisse schuf, kaum dass sie vor Donalds Schreibtisch Platz genommen hatten. Er hatte ihre Ehe als gescheitert erklärt und gesagt, er wüsste gar nicht, warum Ava ihn begleitet hätte.
„Wenn ich keinen Krebs hätte, wärst du nicht hier, sondern bei deinem Anwalt“, sagte er jetzt. „Und ich bei meinem.“
„Nun, in diesem Raum könnt ihr den Schein vergessen. Du wolltest die OP verschieben, um deiner Mutter nicht die Geburtstagsparty zu verderben … meine Güte, geht’s noch, Mann?“
Es war Donnerstag. James hatte bereits eine Reihe von Untersuchungen hinter sich, weitere Tests standen an. Blake sollte ihn operieren, und der Eingriff war für morgen festgesetzt. Man würde den befallenen Hoden entfernen und eine Prothese einsetzen. Ein Modell lag vor ihnen auf Donalds Schreibtisch. Vorhin, als Donald es ihr gab, hatte sie es wie eine heiße Kartoffel schnell an James weitergereicht. Der drückte es flüchtig und legte es zurück. Von da an hatten sie es beide vermieden, den kleinen, mit Kochsalzlösung gefüllten Ball auch nur anzublicken. Stattdessen sah Ava aus dem Fenster, und zum ersten Mal konnte das herrliche Hafenpanorama sie nicht beruhigen.
„Die Heilungschancen sind sehr hoch“, sagte Donald. „Habt ihr zwei darüber nachgedacht? James?“ Seine Stimme wurde eindringlich. „Hast du dir überlegt, dass eine wundervolle Zukunft vor dir liegen könnte, in der du wieder kerngesund bist – und vielleicht jemanden kennenlernst, dich verliebst und mit dieser Frau Kinder haben möchtest?“
Ava hatte plötzlich das Gefühl zu ersticken. Vor ihrem inneren Auge sah sie James durch einen wunderschönen Garten laufen, dahinter das Haus, das sie kaufen wollten, wenn sie Kinder hatten.
„Drei Schlafzimmer“, sagte sie damals, während sie in Immobilienangeboten blätterten.
„Nein, vier“, antwortete er und streichelte liebevoll ihren Bauch. Sie wollten viele Kinder.
Als sie das erste Mal schwanger wurde, beschlossen sie, das Apartment in Kirribilli Views zum Verkauf anzubieten und nach einem geeigneten Haus zu suchen. Sie sah es vor sich, ein wundervolles Haus mit verwitterter weißer Holzverschalung, üppig berankt mit Blauregen und Kaskaden von Schneewittchenrosen. Und dann sah sie James, offensichtlich wieder kerngesund und glücklich, umringt von lachenden Kindern.
Während sie von der Arbeit nach Hause kam, in ihrer Einkaufstüte gesunde Tiefkühlmahlzeiten für Singles und mehrere Dosen Katzenfutter …
Als er jetzt den sterilen Behälter nahm, hätte sie ihn ihm am liebsten aus der Hand gerissen und in die nächste Ecke
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