Aerzte Zum Verlieben Band 59
Natürlich hätte ich ihm längst davon erzählen müssen, aber ich hatte vier Fehlgeburten, und es war die Hölle für uns beide. Wir waren schon getrennt, als ich es herausfand, und ich dachte, ich kann es ihm nicht sagen – was wäre, wenn ich auch dieses Baby verliere?“ Sie biss sich auf die Lippe. „Und jetzt …“
„Hast du es länger behalten als die anderen?“
Ava nickte. „Die längste Schwangerschaft hat zehn Wochen gedauert. Danach wollte ich nicht mehr. Unsere Ehe hat sehr darunter gelitten.“ Tränen wallten in ihr auf, und sie versuchte, sie mit Gewalt zurückzuhalten. Vergeblich.
Marco zog ein paar Papiertücher aus der Packung auf seinem Schreibtisch und reichte sie ihr schweigend.
„Es tut mir leid“, schniefte Ava.
„Bitte nicht … Tränen sehe ich hier schließlich jeden Tag reichlich. Wie weit bist du?“
Sie nannte ihm das Datum ihrer letzten Periode, und er sah im Kalender nach.
„Vierzehnte Woche, also im zweiten Schwangerschaftsdrittel. Lass uns mal einen Blick darauf werfen, ja?“
Sie legte sich auf die Untersuchungsliege, und Marco maß ihren Blutdruck. Stirnrunzelnd maß er ein zweites Mal.
„Gerade noch im Normbereich“, sagte er dann.
„Ich bin ein bisschen aufgeregt.“
„ Sí , und das habe ich schon berücksichtigt. Ich möchte das im Auge behalten, der Wert sollte nicht noch steigen.“ Behutsam tastete er ihren Bauch ab und legte schließlich eine DVD in den Scanner. „Jetzt sehen wir uns den Knirps mal mit Ultraschall an.“
Ava wünschte sich sehnlich, dass James jetzt bei ihr wäre. Das kleine Wesen dort auf dem Bildschirm war ihr Baby, und sie mochte kaum hinschauen, aus Angst, sich zu verlieben – aus Angst, sich auch diese Liebe wieder aus dem Herzen reißen zu müssen.
„Sieht wunderbar aus“, meinte Marco zufrieden. „Plazenta, Größe, Herzfrequenz – alles, wie es sein soll.“ Er erklärte die Aufnahme noch etwas genauer, gab Ava dann Papiertücher, damit sie sich das Kontaktgel abwischen konnte, und half ihr von der Liege.
Als sie wieder vor seinem Schreibtisch saß, sprachen sie über Schwangerschaftsvorsorge, und Ava erzählte von dem Wein und den zwei Schlucken Whisky, die sie getrunken hatte. Und auch vom Reiten.
Marco lächelte nachsichtig. „Ich würde einer werdenden Mutter nicht gerade empfehlen, mit Reiten anzufangen, aber wenn du eine geübte Reiterin bist, und wenn es dich entspannt, habe ich nichts dagegen.“ Er griff zum Kugelschreiber. „Ich schlage vor, dass du bald ein paar Bluttests machst.“
„Kann das nicht noch warten?“ Vielleicht war es albern, doch sie wollte es nicht offiziell machen, bevor sie es James nicht erzählt hatte.
„Schon“, antwortete er. „Aber du solltest es besser nicht auf die lange Bank schieben.“
„Ich nehme Vitamine und achte auch sonst auf meine Ernährung …“
„Ava“, unterbrach er sie sanft. „Um deine Blutwerte mache ich mir keine großen Sorgen. Wahrscheinlich bin ich von Berufs wegen aufmerksamer als andere Männer, doch ich habe dir die Schwangerschaft schon angesehen, als du zur Tür hereinkamst. Und dein Mann kennt dich. In einer Woche, spätestens zwei, wird er Bescheid wissen.“
Und dann lenkte er das Gespräch auf ein Thema, das auch James schon angesprochen und bei dem sie äußerst empfindlich reagiert hatte. Tatsächlich hatten sie danach erbittert gestritten.
„Ich war nicht depressiv.“ Ava wies den Gedanken weit von sich. „Ich hatte nur eine schwere Zeit.“
„Das stimmt. Trotzdem rede ich gern offen darüber, dass die Möglichkeit bestehen könnte. Besonders mit Frauen, die einen solchen Verlust nicht nur einmal verkraften mussten.“
Ava hörte zu, nickte an den richtigen Stellen, bedankte sich dann und verabschiedete sich. In der Hand die DVD mit den Ultraschallaufnahmen, eilte sie in die Kantine.
Gerade als sie sich mit ihrem Mittagessen hingesetzt hatte, sah sie, wie James hereinkam. Während er in der Warteschlange sein Tablett am Tresen entlangschob und schließlich sein Essen entgegennahm, betrachtete sie ihn verstohlen. Er sah gut aus, besser als vor einer Woche noch. Aber das bedeutete nur, dass bald die nächste Chemo anstand. Dann würde er wieder wie ein wandelndes Gespenst aussehen.
Wie konnte sie ihm da von dem Kind erzählen?
Die DVD lag auf dem Tisch. Soll ich einfach zu ihm gehen und sie ihm in die Hand drücken? überlegte sie. Ohne große Worte?
Er setzte sich, und wenig später trat eine Krankenschwester an seinen
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