Aerzte Zum Verlieben Band 59
dass sie es vergessen hatte, weil sie sich gerade die Haare machte, als das Drama losging.
Zuerst redete sie sich ein, dass es nur Senkwehen waren. Marco hatte sie vorgewarnt, dass ihr Baby sehr groß war. Bei der Schwangerschaftsvorsorge heute wollte er mit ihr entscheiden, ob sie die Geburt einleiten oder sogar einen Kaiserschnitt in Betracht ziehen sollten. Letzteres kam für Ava überhaupt nicht infrage, und während sie beim Haare glätten darüber nachdachte, wann er denn die Geburt einleiten wollte und wie riesig ihr Bauch wohl noch werden würde, platzte die Fruchtblase.
Danach ging alles rasend schnell.
„James?“
Er hörte ihrer Stimme an, dass etwas passiert sein musste, und ahnte, was es war, als er ins Bad lief.
Sie hatte Angst. Er auch, aber er zeigte es nicht, nicht eine einzige Sekunde lang. Zehn Minuten später hatte sie schon zwei heftige Kontraktionen hinter sich. Bis er die Tasten gewählt hatte und zur Entbindungsstation durchgestellt worden war, atmete sie sich bereits durch die vierte Wehe.
„Ruf deine Mutter an!“, hatte Ava noch gesagt, als sie hastig die Wohnung verließen.
„Dann macht sie sich gleich auf den Weg“, gab er zu bedenken. „Wir rufen sie hinterher an.“
„Bis sie da ist, ist es hinterher“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor und krümmte sich unter einer weiteren Kontraktion.
Die Fahrstuhltüren glitten auseinander, und wie es ein seltsamer Zufall wollte, stand Finn in der Kabine, im Anzug und auf dem Weg zur Arbeit. Heute war sein letzter Tag, bevor er in der nächsten Woche erneut unters Messer kam.
Ein knappes: „Guten Morgen“, war alles, was er von sich gab, bevor er sie nicht weiter beachtete. Ava war es nur recht, denn manchmal gab es Situationen, in denen man am liebsten unsichtbar wäre.
Doch statt sich in Bewegung zu setzen, verhielt sich der Lift wie ein störrischer Esel.
James drückte sämtliche Knöpfe. Nichts.
Und Finn, der Ava für spröde gehalten hatte, musste sich eines Besseren belehren lassen. Sie fluchte wie ein Matrose und hieb auf die Knöpfe, entschlossen, weder zig Stufen hinabzulaufen noch ihr Kind hier im Aufzug zu bekommen.
Zum Glück fuhr der Fahrstuhl an, Finn stieg im Erdgeschoss aus, und James und Ava ließen sich zur Tiefgarage bringen.
Im Harbour wurden sie von Emily, die selbst schwanger war, empfangen. Nachdem sie Ava untersucht hatte, meinte sie: „Wir sollten den Arzt holen.“ Sie lächelte Ava beruhigend an und rief einer Kollegin zu, sie möchte bitte Dr. D’Arvello verständigen.
„Das geht so schnell …“, klagte Ava verzweifelt. Und dann erinnerte sie sich an das Glätteisen.
„Ava, mach dir darüber jetzt keine Gedanken“, meinte Marco, als sie zum fünften Mal davon anfing.
Er sagte es ruhig, und wäre Emily nicht seine Frau gewesen, hätte niemand die leichte Anspannung in seiner Stimme bemerkt. Emily blickte auf das Köpfchen, das bereits zu sehen war, und sah, wie es sich wieder zurückzog – das sogenannte „Turtle-Phänomen“, das auf eine Schulterdystokie hindeutete. James war ein großer Kerl mit sehr breiten Schultern, und jetzt betrachtete er nervös, dass es mit der Geburt nicht weiterging.
Emily holte tief Luft, während Ava sich immer noch Sorgen wegen des vielleicht glühenden Glätteisens machte. Ihre Patientin brauchte nicht zu wissen, dass es Komplikationen gab, sie war aufgeregt genug.
„Ruhig und langsam atmen, Ava“, sagte sie. „Dein Baby ist gleich da, und dann kann James nach Hause fahren und für dich nach dem Glätteisen sehen. So, wir legen jetzt deine Beine hoch.“ Sie umfasste ein Bein und James auf ihr Zeichen hin das andere, und sie drückten sie gerade ausgestreckt Richtung Bauchdecke, um das Becken weiter zu öffnen.
Doch erst als James versprach, bald nachzusehen, beruhigte Ava sich. Sie versuchte, sich auf die Wehen zu konzentrieren und nicht mehr daran zu denken, dass ihre Wohnung in Flammen stand und sie den Kaufvertrag nicht erfüllen konnten. Sie hatten das Apartment in Kiribilli Views nämlich verkauft und sich stattdessen ein Haus gekauft.
Ihr Traumhaus. Es war das Haus, wo sie sich zum ersten Mal geliebt hatten. Drei Wochen, nachdem sie wieder zusammen waren, hatte der Vorbesitzer es zum Verkauf angeboten. Freunde und Bekannte hatten Ava und James für verrückt erklärt. „Was wollt ihr mit der alten Bruchbude?“, war die einhellige Meinung gewesen.
Aber sie hatten sich in das Gebäude verliebt, entwarfen Pläne, und Ava koordinierte
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