Aeternum
endlich wieder in den Griff bekommen musste. Es gab wirklich Wichtigeres als Männer, worüber sie sich Gedanken machen sollte.
Aber Jul hatte in der Nacht an ihrem Bett gewacht.
Wütend schob sie den Gedanken beiseite.
»Gibt es noch etwas, das ich bisher nicht wusste?« Die Frage holte Amanda ins Hier und Jetzt zurück. Darum ging es also. Sie hatte ihm nicht gesagt, dass Dämonenblut süchtig machte, und für ihn war das offensichtlich ein Vertrauensbruch.
»O ja«, antwortete sie giftig. »Ich hab dir noch nicht jedes einzelne Detail aus meiner Kindheit erzählt.«
Der Engel seufzte, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Es tut mir leid. So war es nicht gemeint. Aber es ist wichtig für mich zu wissen, wie weit er dich in der Hand hat. Ganz unabhängig davon, dass ich mir Sorgen …« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf, als hätte er schon zu viel gesagt. Er räusperte sich und begann, einige Punkte an den Fingern abzuzählen. Nun klang seine Stimme hart. »Er hält deinen Bruder als Geisel. Du bist süchtig nach seinem Blut. Er kann dir mit nur einem Gedanken Schmerzen zufügen. Und er besitzt deine Seele. Sonst noch etwas, womit er dich dazu bringen könnte, dich gegen Karin und mich zu wenden?«
Amanda biss sich auf die Unterlippe. Sie musste schlucken, bevor sie antworten konnte. Sah ihre Situation, von außen betrachtet, tatsächlich so jämmerlich aus? »Ich bin nicht süchtig nach seinem Blut, sondern nach Dämonenblut im Allgemeinen.« Als ob es irgendetwas änderte, dieses Detail richtigzustellen. Sie räusperte sich. Schob alle Gedanken an Blut und Sucht weit von sich. »Außerdem will Balthasar dir nichts tun. Er will dich besitzen.«
»Ach, das ist besser?« Jul sah sie herausfordernd an, und Amanda erwiderte seinen Blick wütend.
»Immerhin heißt das, dass er nicht versuchen wird, dich umzubringen. Lass dich nicht erpressen und geh auf keinen Fall auf seine Spielchen ein, dann bist du sicher.«
»Du meinst, ich hätte gestern Nacht nicht einschreiten sollen.«
»Ja.« Doch mit einem Mal klang ihre Stimme nicht mehr so fest, wie sie es gerne gehabt hätte. Sie schauderte bei der Erinnerung an Balthasars heißen Atem, der über ihre Haut strich. Er hatte nie … Nicht in dem ganzen Jahr, das sie bei ihm lebte … Es gab genug andere Frauen, die er in sein Bett holen konnte. Von ihr hatte er immer nur ihre Magie gewollt. Aber um Jul zu reizen, war ihm offensichtlich jedes Mittel recht. Wie weit wäre er gegangen, wenn der Engel ihn nicht aufgehalten hätte?
»Ich lerne, meine Magie zu beherrschen«, hatte sie ihm zugezischt. »Irgendwann habe ich genug Macht, um dir alles heimzuzahlen, was du nun tust.«
Balthasar hatte nur gelacht, und seine Lippen hatten die Worte Keine Sorge geformt. Wahrscheinlich hatte er nicht daran gezweifelt, dass Jul eingreifen würde. Berechnendes Arschloch, das er war. Wahrscheinlich legte er sich bereits einen Plan zurecht, wie er sie auch dann noch kontrollieren konnte, wenn ihre Kräfte wuchsen. Nur göttlicher Macht würde er ganz sicher nichts entgegenzusetzen haben.
»Warum hast du ihm nicht selbst Einhalt geboten? Es war sicher nicht Teil der Abmachung, dass er dich für seine Spielchen missbrauchen darf.«
Amanda seufzte. »Ich hatte gehofft, du reagierst vielleicht nicht. Dann hätte Balthasar gewusst, dass er dich auf die Art nicht kriegen kann.« Das war eine Lüge, zumindest nur die halbe Wahrheit. Aber sie wollte Jul gegenüber nicht eingestehen, dass sie zu müde und erschöpft gewesen war, um mehr zu tun, als eine leere Drohung auszustoßen. Sie hatte Balthasar keinen Grund geben wollen, schon wieder glühende Nadeln durch ihr Tattoo zu jagen.
Endlich wurde Juls Miene weicher. Er grub die Finger in sein weißblondes Haar, seufzte ebenfalls. »Ich werde mich nicht für meine Fragen entschuldigen. Ich kann nicht blind vertrauen, wenn ein Dämon im Spiel ist.«
»Blind vertrauen ist nie eine gute Idee.« Auch Amanda entspannte sich, streckte die Beine. Der Stoff der Decke rieb über das Tattoo zwischen ihren Brüsten, und sie zuckte zusammen. Wieder verdüsterte sich Juls Miene. Er nahm das Schwert von seinen Knien, das dort die ganze Zeit über gelegen hatte, sicher in seiner Scheide verborgen. Nun fand es seinen Platz neben dem Stuhl, lehnte dort an einem hölzernen Bein, während Jul sich zu Amanda vorbeugte. Er schob die Decke ein Stück nach unten, betrachtete die blutrote Hand über ihrem Herzen. Sie verzog das Gesicht.
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