Aeternum
sie ab, bis sich die Erde wieder beruhigte.
*
Dämonen schienen ein Talent dafür zu besitzen, sich selbst in Szene zu setzen. Oder war das jahrhundertelanger Übung geschuldet? Balthasar zumindest wirkte wie die Essenz aller Feldherren, während er sich über den Tisch beugte, auf dem Amanda in der Nacht zuvor gelegen hatte und dessen Anblick genügte, damit ihr leerer Magen sich zusammenzog. Nun war darauf eine Karte ausgebreitet, die der Dämon aufmerksam studierte. Krätschmer stand neben ihm, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, ganz der aufmerksame Adjutant. Ab und zu machte einer der Männer eine leise Bemerkung. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie miniaturisierte Darstellungen verschiedener Truppenteile auf der Karte hin und her schoben. Doch es stand nur ein einsamer Pappbecher auf einer Ecke, eine Thermoskanne auf einer anderen. Der Duft von Kaffee hing im Raum.
Gerade als Amanda hinter Jul eintrat, verdüsterte sich Balthasars Miene. Offensichtlich lief nicht alles nach seinem Willen. Geschah ihm recht. Schadenfroh grinste sie und zupfte am Kragen der Bluse, die sie im Schrank in ihrem Zimmer gefunden hatte. Ganz konnte das Kleidungsstück das Mal über ihrer Kehle nicht verbergen. Sie hatte über ein Halstuch nachgedacht, doch bei den Temperaturen draußen hätte sie das wahrscheinlich nach kürzester Zeit bereut. Ihr Grinsen verging so schnell, wie es gekommen war.
Auf dem Sofa saß Karin, einen Laptop auf den Knien. Sie sah beim Geräusch der Tür nur kurz vom Bildschirm auf. Dunkle Schatten unter ihren Augen verrieten, dass sie in der Nacht nicht viel Schlaf gefunden hatte. Ohne hinzusehen, griff sie nach dem Kaffeebecher, der gefährlich wackelig neben ihr auf der Armlehne des Sofas stand. Sie trank einen Schluck, verzog dann das Gesicht und starrte anklagend in das dunkle Getränk. »Verdammtes Erdbeben.«
Tatsächlich hingen noch Gipskrümel in ihrem Haar und hatten wahrscheinlich auch den Weg in den Becher gefunden. Schnaubend stellte sie ihn wieder auf die Lehne zurück.
Balthasar sah auf, als hätten die leisen Worte genügt, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass Karin nicht mehr voll konzentriert bei der Arbeit war. »Hast du die Route überprüft?« Der Amanda nur allzu vertraute ungeduldige Unterton schwang in seiner Stimme mit.
»So gut wie, Boss. Bisher sieht da alles ruhig aus.«
Neben Amanda versteifte sich Jul. Der Geruch von angesengtem Stoff wehte ihr in die Nase, als er an ihr vorüberging, auf das Sofa zu. In Ermangelung irgendwelcher Ersatzklamotten hatte er das löchrige T-Shirt von gestern wieder angezogen. Es schien ihn nicht zu kümmern.
Mit einer routiniert wirkenden Bewegung drückte Jul das Schwert an seinem Gürtel zur Seite und ließ sich neben Karin aufs Sofa sinken. Während Amanda zu Balthasar hinüberging, hörte sie ihn in ihrem Rücken flüstern. »Boss?«
»Das war nur so dahingesagt«, verteidigte sich Karin. »Ich hab nicht vor, je so richtig für ihn zu arbeiten, okay?«
Die Art, wie Jul mit seiner Mitbewohnerin umging, erinnerte Amanda an Roman und an alte Zeiten. Ihr großer Bruder. Stets darum besorgt, dass sie nicht an die falschen Männer geriet und sich aus Schwierigkeiten heraushielt. Er hatte versucht, ihr Mutter und Vater zu ersetzen, und oft genug war es ihr lästig gewesen, dass er in ihr die kleine Schwester sah, die er beschützen musste. Doch inzwischen vermisste sie selbst seine übertriebene Sorge. Was hätte sie nicht dafür gegeben, wieder mit ihm über Kleinigkeiten streiten zu können.
Amanda spürte den Druck aufsteigender Tränen und schüttelte wütend den Kopf, zwang ihre Gedanken in die Gegenwart zurück. Krätschmers Blick klebte an den verschlungenen Zeichen über ihrer Kehle, als sie beim Kartentisch stehen blieb. Ein Grinsen spielte über seine Lippen, als wolle er sagen: »Ich hoffe, das war so schmerzhaft, wie es aussieht.«
Balthasar sah sie forschend an, ihr vom Duschen nasses Haar, die frische Kleidung. Sie konnte sich denken, was er wissen wollte.
»Du bekommst Jul nicht.«
»Dann bekommst du ihn auch nicht.«
Wie verdammt beiläufig er über die privatesten Dinge in ihrem Leben entschied! Betont gleichgültig hob Amanda die Schultern. Keine Gefühle zeigen, nicht einmal darüber nachdenken. Sie bemühte sich, Balthasars Blick standzuhalten.
»Es gibt da etwas Wichtigeres …« Sie stockte. Irgendwann musste sie den Dämon auf Roman ansprechen, doch war dies der beste Zeitpunkt? Aber wer wusste schon, wann
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