Aeternum
Anschuldigungen. Doch selbst wenn es so wäre, welche Alternativen hast du? Einen deiner Diener ausschicken, um Jehovah zu töten? Unerwiderte Liebe schlägt viel zu schnell in Hass um, denkst du nicht auch? Das Risiko würde ich an deiner Stelle nicht eingehen. Ich dagegen habe keinen Grund, dich zu hassen. Im Gegenteil, ich achte dich dafür, dass du dich länger an der Spitze der Macht gehalten hast als jeder andere seit dem Verschwinden des Höllenfürsten.«
»Ist das so?« Nachasch legte den Kopf zur Seite, ein belustigtes Funkeln in den Augen.
Neben Jul richtete sich Amanda etwas gerader auf, sie schien langsam wieder zu Kräften zu kommen. »Von mir bekommt Balthasar die Waffe nicht, wenn ich es verhindern kann.« Sie klang entschlossen, obwohl er sehen konnte, wie sie die Linke zur Faust ballte, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Vorbereitung auf einen Schmerz, der nicht kam. Der Kopf der Schlange auf ihrem Handrücken blieb blass und Baals Miene unbewegt.
Nachasch grinste. »Ich bin offensichtlich nicht die Einzige, deren Diener nur wenig Vertrauen verdienen. Im Vergleich zu dir habe ich meine allerdings besser unter Kontrolle, Balthasar. Verlässt du dich immer noch nur auf Schmerz, um deine Leute zu bestrafen? Ich sage dir, es gibt effektivere Methoden.«
Angewidert verzog Jul das Gesicht. Hatten Dämonen keine anderen Gesprächsthemen?
Baal lächelte. »Die deinen führen für meinen Geschmack zu oft zu emotionalen Wracks.«
Doch Nachasch beachtete ihn schon nicht mehr, musterte stattdessen Amanda eingehend. Nachdenklich legte sie einen blutigen Finger an ihre Lippen. »Ich brauche eine Sicherheit, dass ich die Waffe zurückerhalte und du jedwede neu gewonnene Macht nicht gegen mich einsetzt. Dann müssen wir noch über den Preis reden …«
Nicht schon wieder! Hitze stieg in Jul auf, schien ihn von innen heraus zu versengen. Er hatte sich dies alles lange genug angehört, hatte lange genug Ruhe bewahrt. Ihm wurde erst bewusst, dass er aufgesprungen war, als sein Stuhl hinter ihm zu Boden klapperte. »Könnt ihr Dämonen an nichts anderes denken? Niemand hier wird einen Preis dafür zahlen, auch dein Leben retten zu dürfen!«
Nachasch zuckte nicht zurück, blinzelte nicht einmal. Sie erhob sich langsam, ging um den Tisch herum auf Jul zu. Die Dämonin legte ihm die Hand auf die Schulter, beugte sich dicht zu seinem Ohr. »Was ist, wenn ich als Preis nichts weiter verlange, als dass du Balthasar für mich tötest?«
Die Worte waren so leise, dass Jul sich anstrengen musste, um sie zu verstehen. Er unterdrückte den Impuls, zu dem anderen Dämon hinüberzusehen, senkte stattdessen den Blick auf Amanda, die mit gerunzelter Stirn zu ihm hochsah. Ihr Meister würde ohnehin sterben müssen, damit sie endlich frei sein konnte. Jul wusste nicht, ob es ihm gelingen würde, den Dämon zu töten, doch er hatte nichts dagegen einzuwenden, es zu versuchen. Mit Menschen mochte er Mitleid haben, doch an einen Dämon wäre es verschwendet gewesen. Ihm widerstrebte es lediglich, es für Nachasch zu tun.
»Du müsstest außerdem dafür bürgen, dass ich die Waffe wiederbekomme«, sagte die Anführerin der Dämonen lauter, noch bevor Jul etwas erwidern konnte. Sie schien davon auszugehen, dass sie sich einig waren. »Solltest du versagen, trittst du in meine Dienste.«
In diesem Moment erzitterte das Gebäude.
34
J ul sah gut aus, wenn er wütend war. Seine eisblauen Augen blitzten, das genaue Gegenteil des kühlen Engelblicks, mit dem er Amanda immer gemessen hatte. Er hatte diese ewigen Verhandlungen ebenso satt wie sie. Und er hatte mehr Energie, um zu widersprechen.
Amanda lehnte sich zurück, froh, dass er ihr ein wenig Zeit verschaffte, sich zu erholen, die blutigen Bilder der jüngeren Vergangenheit zurückzudrängen und tief in ihrem Inneren zu verschließen. Wenn das doch nur funktioniert hätte. Ständig sah sie die Frau mit dem Pferdeschwanz vor sich, ihre weit aufgerissenen Augen, als die Klinge des Engels in ihr Fleisch fuhr. Was diese Frau auch getan hatte, warum auch immer sie in Balthasars Diensten gestanden haben mochte, es war Amandas Aufgabe gewesen, sie und die anderen sicher durch die verdammte apokalyptische Schlacht zu bringen, die dort draußen tobte. Und sie hatte versagt. Hatte sich nicht überwinden können zu töten. Wie sollte das erst werden, wenn sie endlich wieder in der Höhle unter dem Alexanderplatz stand? Konnte sie überhaupt tun, was getan werden
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