Aeternum
hinten. Das Schwert halb zum Schlag erhoben, erstarrte der Engel in ihrem Rücken. Langsam senkte er den Blick auf die knochige Spitze in seiner Brust.
Nachaschs Faust fuhr herab, grub sich tief in das Gesicht des Angreifers vor ihr. Engelblut zeichnete ein Muster aus Licht auf die weiße Tapete.
Amanda wandte sich schaudernd ab. Nur aus dem Augenwinkel sah sie, wie der vordere Engel erschlaffte, in sich zusammensank, während sein Blut rot wurde wie das eines Menschen. Der hintere sackte mit einem tiefen Loch in der Brust in die Knie.
Schwankend kam Nachasch auf die Beine. Amanda tat es ihr gleich, schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. Sie streckte die Hand nach der Wand aus und stützte sich daran ab. Ihr Blick fiel durch eine nahe Tür in einen der äußeren Räume. Tischplatten und schwere Aktenschränke, das war die Barriere, mit der die Dämonen die Fenster verstärkt hatten. Nun lagen die Möbelstücke in Fetzen zwischen verwehtem Papier, Glasscherben und Leichenteilen. Und jenseits der zerbrochenen Fenster …
Amanda zog die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Helles Licht erstrahlte vor den Fenstern des Gebäudes, zeichnete die Umrisse der Türen in scharfen Schattenlinien auf den Boden. Das Licht eines Seraphs! Amanda erstarrte. Ihr Gehirn verweigerte die Arbeit, ihr Körper rührte sich nicht von der Stelle.
Nachasch packte sie, zog sie in einen der inneren, dunklen Räume. Sie taumelte, fiel. Nebeneinander gingen sie zu Boden.
Der helle Schein bereitete sich aus, drang durch die äußeren Wände des Gangs, erreichte den Engel, den Nachasch mit ihrer Schwinge durchbohrt hatte. Ein Ausdruck äußerster Verzückung breitete sich auf seinem Gesicht aus, er schien von innen heraus zu glühen, verschwamm in der gleißenden Helligkeit. Gebannt beobachtete Amanda, wie der Engel im Licht verging, sich darin auflöste wie eine Schneeflocke in heißem Wasser. Erst als der Schein auch durch die Wand ihres Verstecks drang, zuckte sie zurück. Doch er erreicht sie nicht, verlosch und hinterließ nichts als helle Flecken auf ihrer Netzhaut.
»Sie haben mehr Seraphim gerufen.« Nachaschs Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Amanda nickte, blinzelte die bunten Nachbilder vor ihren Augen fort. Das war also der Grund, wieso die Seraphim während einer Schlacht in einer Blase der Ruhe zu schweben schienen. Ihr Licht verbrannte Freund und Feind gleichermaßen. Amanda schlang die Arme um ihren Oberkörper, um die plötzlich herankriechende Kälte fernzuhalten. Doch dass dieser Krieg von beiden Seiten ohne Rücksicht auf Verluste geführt wurde, hatte sie inzwischen zur Genüge gesehen.
Hoffentlich hatte das Licht Jul nicht erwischt. Der Gang lag wie leergefegt da, der Kampf hatte sich verlagert.
Ein dumpfes Ächzen lenkte Amandas Aufmerksamkeit endgültig wieder auf Nachasch. Die Dämonin lag auf der Seite, die Flügel wie vom Sturm zerfetzte Segel hinter ihr ausgebreitet. Ihre Brust hob und senkte sich in mühsamen Atemzügen, und auf ihren Lippen glänzte Blut. Der Geruch nach verbranntem Fleisch stieg Amanda in die Nase und ließ sie würgen. Dennoch rutschte sie näher an Nachasch heran, versuchte, nur flach zu atmen und die schwarzgeränderten Löcher in Brust und Bauch nicht zu genau anzusehen. Die Dämonin hatte ihr das Leben gerettet. Warum? Sie war die verdammte Anführerin der ganzen verdammten Höllenbrut! Wahrscheinlich musste sie Selbstlosigkeit erst im Lexikon nachschlagen, bevor sie wusste, was es bedeutete.
Nachasch streckte eine Hand nach ihr aus, und blutige Krallen strichen sanft über Amandas Wange. Sie hielt den Atem an, wagte nicht, sich zu rühren. »Schade, dass nicht ich diejenige war, die dich gefunden hat. Dich hätte ich nicht mit Missachtung gestraft.« Die Dämonin hustete, spuckte Blut. »Du hättest es bei mir besser gehabt als bei ihm. Du hasst ihn sehr, nicht wahr?«
Amanda nickte benommen. Ganz langsam fanden ihre Gedanken wieder zurück in gewohnte Bahnen. Die Waffe. Sie musste danach fragen, bevor es zu spät war. Sie räusperte sich.
»Ich weiß, ihr Dämonen habt eine Schwäche für dramatische Gesten und so Zeug …« Sie sprach zu schnell, redete Blödsinn. Doch immerhin brachte sie etwas heraus. »Aber der Tag ist schon beschissen genug, ohne dass du gleich stirbst und mir vorher nur irgendeinen halb vollendeten, kryptischen Hinweis darauf gegeben hast, wo ich die Waffe finden kann. Also sag es mir besser sofort, falls du überhaupt
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