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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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Erster durch den Durchgang. Er hatte es gründlich satt, durch unterirdische Gänge zu irren. Was auch immer sie erwartete, er hoffte, sie würden ihr Ziel bald erreichen.
    Als er sich wieder aufrichtete, wurde aus der Hoffnung schlagartig Sicherheit.
    Für einen Moment glaubte er, eine Kathedrale betreten zu haben. Der Eindruck rührte nicht so sehr von der Wölbung der Decke oder den Felssäulen her – den Felssäulen, die es unter Berlin nicht hätte geben dürfen, da die Stadt auf sumpfigem Untergrund erbaut war. Es war mehr die andächtige Atmosphäre der Höhle. Eine solche Atmosphäre entstand an Orten, an denen über die Jahrhunderte hinweg inbrünstig gebetet wurde. Sie machte die herrschende Stille beinahe greifbar.
    Das Licht kam aus der Mitte der Höhle, strahlte blendend hell von etwas zwischen den Säulen aus. Es war ein goldener, warmer Schein, so unerwartet in dieser Umgebung. Jul merkte kaum, wie er den Atem anhielt. Er kannte dieses Licht, hatte es so oft von fern gesehen, hatte im Anblick der Gestalt Frieden gefunden, die es umgab. Die Gestalt auf dem großen Thron im Himmel, umringt von den Seraphim.
    Er hatte sich geirrt. Michael und die anderen Erzengel waren all die Jahre im Recht gewesen. Gott war nicht tot. Dort vorne wartete er.
    Tränen der Erleichterung traten Jul in die Augen und rannen heiß seine Wangen hinab. Vielleicht war es tatsächlich eine Prüfung gewesen, vielleicht hatten sie ihn finden müssen, und nun würde er zu ihnen zurückkehren.
    Jahrhundertealte Gewohnheiten zwangen Jul auf die Knie. Er legte die verbogene Metallstange vor sich auf den Boden, langsam und vorsichtig. Seine Finger verschränkten sich beinahe von allein ineinander, und noch immer trübten Tränen sein Blickfeld.
    Doch etwas anderes trübte seine Erleichterung.
    Er war nicht mehr derselbe wie vor zweihundert Jahren. Ungebeten drängten sich Fragen in sein Bewusstsein und mit ihnen Zweifel. Wenn dies eine Prüfung war, dann zu welchem Zweck? Was hatte der Herr prüfen wollen, warum hatte er zugelassen, dass deswegen das Unglück auf dem Alexanderplatz geschah? Was hatte der Welleneffekt zu bedeuten? Und warum harrte der Herr dort so reglos aus und unternahm nichts? Jul wollte Antworten, er konnte sich nicht mehr damit abfinden, auf Befehle zu warten.
    Er wischte seine Tränen fort, blinzelte – und stutzte. Irgendetwas stimmte nicht. Der goldene Glanz war schwächer, als Jul ihn in Erinnerung hatte. Und regte sich da nicht etwas, das den göttlichen Schein weiter verdunkelte? Er kniff die Augen gegen das Licht zusammen.
    Eine mächtige Schwinge reckte sich in die Höhe, ein Schattenriss vor dem goldenen Schein. Schwärze strahlte von ihr aus, mischte sich in das Licht, vergiftete es.
    Hell und Dunkel flossen ineinander, eng umschlungen, genau wie die Gestalten, die Jul zwischen Licht und Schatten zu erkennen glaubte. Mächtige Gestalten, schwer fassbar selbst für seine Augen. Doch ihm war klar, dass sie dort nicht in einer solch engen Umarmung liegen sollten, enger als selbst Liebende. Fast als wären sie eins, als würden sie ineinander zerfließen. Und schon gar nicht hätten sie sich nur so schwach regen dürfen. Da hätte mehr sein müssen als das sanfte Wogen von Licht und Dunkelheit und das träge Strecken der schwarzen Schwingen.
    Kälte kroch in Juls Glieder. Ja, der Herr war nicht tot. Aber was auch immer während des zweiten Krieges geschehen war, es war womöglich schrecklicher als alles, was er sich bisher hatte ausmalen können.

18
    A manda blinzelte, versuchte vergeblich, mehr zu erkennen als gleißende Helligkeit und alles verschluckende Dunkelheit. Licht und Schatten flossen ineinander, vermischten sich wie Yin und Yang. Es war ein atemberaubender Anblick. Doch gleichzeitig kratzte die Erkenntnis an ihrem Bewusstsein, dass sie nicht verstand, was sie sah. Dass sich dort mehr verbarg, als sie erkennen konnte.
    Amanda kniff die Augen zusammen. Wie sie es hasste. Sie hatte gerade begonnen, sich an sprechende Rattendämonenviecher zu gewöhnen, hatte es geschafft, den Mann in der orangefarbenen Weste in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu verbannen. Sie hatte sich zumindest die Illusion erkämpft, die Kontrolle zu behalten, langsam ein paar Puzzleteile zusammenfügen zu können. Und dann kam das Universum und erinnerte sie daran, dass sie klein und unwichtig und dumm war angesichts der Wunder und Phänomene, die es aus dem Ärmel schütteln konnte.
    Erst als sie sich zu Jul

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