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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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seiner Jackentasche. Er trank einen Schluck, starrte ins Leere. »Genau genommen war die Sache mit dem Baum der Erkenntnis meine Idee. Doch die Erzengel, die die Führung übernommen hatten, wollten nicht auf mich hören. Also beschlossen wir – ich und ein paar andere –, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wir wollten sie vor vollendete Tatsachen stellen und so beweisen, dass es funktionieren würde. Es war die dämlichste Idee, die ich je hatte …«
    »Warum? Ich finde, sie klingt ganz in Ordnung.«
    Er stieß ein Lachen aus, kurz und bitter. »Das beruhigt mich nur bedingt. Ich glaube inzwischen, dass sich ein Gefallener bei uns eingeschlichen hatte, um diesen Plan in unsere Köpfe zu setzen. Der Herr war ja nicht mehr da, um sie fernzuhalten.«
    Wenn etwas schiefging, waren die Dämonen schuld? Wie praktisch, wenn man auf diese Art die Verantwortung für seine Fehler auf andere abwälzen konnte. Aber sie konnte Jul in gewisser Weise verstehen. Es war immer schöner, jemand anderem die Schuld geben zu können.
    Er atmete tief ein. »Da es ursprünglich meine Idee gewesen war, war ich derjenige, der weit abseits der bewachten Tore über die Mauern des Garten Edens flog. Ich nahm einen Apfel vom Baum der Erkenntnis und biss davon ab.« Wiederum stockte er, grub die Finger in seinen zerwuschelten Haarschopf.
    »Ich nehme an, sie haben es nicht eingesehen«, stellte Amanda fest.
    Jul schüttelte den Kopf. »Sie fanden mich unter dem Baum … Hast du mal das Alte Testament gelesen? Die Sintflut, die Plagen, die Zerstörung von Sodom und Gomorrha. Der Herr hat diese Dinge angeordnet, und wir haben sie durchgeführt. Ich habe in Ägypten einen kleinen Jungen in seinem Bett erstickt, während seine Eltern daneben schliefen. Unter dem Baum wurde mir klar, was ich getan hatte und dass ich den Grund dafür nicht kannte. Wieso erschafft der Herr die Menschen, nur um sie dann mit Prüfungen und Strafen zu quälen? Ist er unfehlbar, wo er es doch nicht hat kommen sehen, dass er plötzlich verschwinden würde? Ist er gut, wenn er keinen anderen Weg sieht, als durch Leid zu herrschen? Gibt es irgendeinen großen Plan, den nur er versteht? Ich hoffe noch immer, dass es so ist, aber ich weiß es nicht.«
    Amanda hielt den Atem an, während Jul zu Boden starrte, die Lippen zusammengepresst, die Schultern herabgesunken. Dieser Schmerz in seinen Zügen verlieh der Geschichte ein beinahe spürbares Gewicht, machte es unmöglich, auch nur ein Wort davon anzuzweifeln.
    »Sie haben mich also unter dem Baum der Erkenntnis gefunden, kaum mehr als ein Häufchen Elend. Es war zu viel auf einmal, und ich musste erst lernen, mit den neuen Gefühlen umzugehen. Natürlich war das Grund genug für die Erzengel, nicht einmal mehr über meinen Vorschlag nachzudenken. Und meine Mitverschwörer wandten sich entsetzt von mir ab. Sie sahen nur, dass ich ein göttliches Gebot gebrochen hatte und dafür bestraft worden war. In den Augen der Erzengel war ich kaum besser als ein Gefallener. Aber sie konnten mich nicht zu einem Dämon machen. Das hätte nur der Herr gekonnt. Also haben sie das Nächstbeste getan. Sie haben mich auf die Erde gebracht und … mir meine Flügel genommen.«
    Für einen Moment herrschte Schweigen. Amanda biss sich auf die Unterlippe. Was sollte man zu einer solchen Geschichte sagen? »Es tut mir leid« schien nicht einmal annähernd auszureichen.
    »Also das hat Michael dir versprochen …«
    Jul nickte langsam. »Ich soll meine Flügel zurückbekommen und wieder ein Teil der Schar werden.«
    »Moment.« Amanda zog die Brauen zusammen. Das mit den Flügeln konnte sie verstehen. Aber was sollte die Sache mit der Schar? »Du willst wirklich wieder zu denen zurück, obwohl sie dir nicht geglaubt und dich wirklich beschissen behandelt haben? Du willst praktisch zurückgekrochen kommen und wieder Befehle von Leuten empfangen, die nicht mal kapieren, was Mitleid ist? Ich nehme zumindest nicht an, dass sie plötzlich doch eingesehen habe, dass du recht hattest.«
    Jul stieß sich mit einem Ruck von der Wand ab, funkelte sie an. »Du hast keine Ahnung, wie es ist, allein und an den Boden gebunden zu sein.«
    »O ja, klar.« Sie reagierte beinahe automatisch auf seinen aggressiven Tonfall, passte ihren daran an. »Ich stolpere hier ja auch nur über Schutt, weil ich zu faul bin zum Fliegen. Und ich habe haufenweise Freunde.«
    Bildete sie es sich ein, oder loderten die blauen Flammen höher? Vielleicht sollte sie den Engel

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