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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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hinaufstarrte. Sie biss sich auf die Unterlippe, wahrscheinlich unbewusst, und die Geste ließ sie für einen Moment verletzlich wirken, ängstlich sogar.
    Verriet er den Herrn, wenn er nicht wollte, dass ihr etwas geschah? Nein, sie stellte keine Gefahr da, wollte sich doch ohnehin von ihrem Meister lossagen. Und sie war gegen ihren Willen in diese Sache hineingeraten. Unschuldig – zumindest in dieser Hinsicht. Doch die anderen Engel dachten zu sehr in Schwarz und Weiß.
    Schließlich drehte der Seraph wieder ab, verschwand aus Juls Blickfeld.
    »Wie dem auch sei …«, hob der Morgenstern leise erneut an. »Nicht lange nach meinem Fall machte ich eine faszinierende Entdeckung. Zum einen fand ich heraus, dass Jehovah nicht der einzige Gott ist. Aber damit nicht genug. Er ist sogar einer der jüngeren.«
    Jul schüttelte den Kopf. Alles in ihm sträubte sich dagegen, auch nur ein Wort davon zu glauben. »Ich nehme an, das ist eine der Lügen, die der Seraph erwähnt hat.«
    Der Morgenstern runzelte verärgert die Stirn, doch ehe er etwas erwidern konnte, erklang Amandas Stimme. »Heißt das, jeder Gott jeder anderen Religion existiert auch?«
    Jul blickte sich nach ihr um. In ihren Augen glitzerte Interesse, sie schien geneigt, die absurde Geschichte zu glauben. Und wieso spürte auch er das Nagen der Zweifel?
    »Das ist lächerlich!« Der Widerspruch fiel heftiger aus, als er beabsichtigt hatte. Es durfte nicht sein! Dem Herrn die Einzigartigkeit und damit die Allmacht abzusprechen würde bedeuten, dass er fehlbar war wie jeder andere. Dass er tatsächlich auch falsche Befehle geben konnte. Dass all das stimmte, was Jul fürchtete, seit man ihn weinend unter dem Baum der Erkenntnis gefunden hatte. Mit einer wütenden Geste wischte er Zweifel und Angst beiseite. »Dann gäbe es Tausende von ihnen. Wie hätten wir das nicht bemerken sollen?«
    Der Morgenstern grinste. »Ihr habt sie falsche Götter geheißen, habt sie für Dämonen gehalten. Und das sind sie inzwischen auch zu einem großen Teil. Sie kamen zu mir, nachdem Jehovah mich und meine Anhänger in die Hölle verbannt hatte. Jehovah verdrängte die alten Götter, jagte sie und vernichtete sie. Sie waren schwach, weil er ihnen die Menschen nahm, die sie verehrten und ihnen opferten. Sie hofften auf Asyl bei uns Gefallenen. Ich gewährte es ihnen, im Austausch gegen ihre bedingungslose Treue und ihr Wissen. Sie erzählten mir einiges. Zumindest jene, die sich genügend Macht bewahrt hatten, um noch sprechen zu können. Die Vergessenen habt ihr ja gesehen. Sie taugen nur noch als meine Augen und Ohren. Und ab und zu als Sprachrohr.«
    »Nun bin ich sicher, dass du lügst.« Da war ein Fehler in der Geschichte des Morgensterns, ein Widerspruch! Juls Anspannung löste sich. Er streckte seine Finger, von denen er bis eben nicht gemerkt hatte, dass sie zu Fäusten geballt waren. Hatte er so sehr gefürchtet, es könnte doch ein Körnchen Wahrheit in all der Absurdität stecken? »Zum einen sagst du, der Herr wäre weder der einzige noch der erste Gott. Doch dann wären die alten Götter, wie du sie nennst, mächtiger als er, immerhin waren sie vor ihm da. Wie hätte der Herr sie jagen und vernichten können, wenn er schwächer gewesen wäre als sie?«
    »Oh, er besaß eine mächtige Waffe.« Im Lächeln des Morgensterns schwang eine Spur Boshaftigkeit mit. Als könnte er sehen, wie die Zweifel zurückkehrten, stärker als zuvor an Jul nagten. Als würde er den Anblick genießen. Jul bemühte sich um eine unbeteiligte Miene, dem Tumult in seinem Inneren zum Trotz. Er würde dem Höllenfürsten nicht zur Erheiterung dienen.
    Der Morgenstern lehnte sich vor, hüllte ihn tiefer in Dunkelheit. »Armer kleiner Engel.« Ein spöttisches Grinsen blitzte im Zwielicht auf. »Ich habe euch Freiheit geschenkt, aber du hast die alten Fesseln durch die Bürde des Gewissens ersetzt. Und nun nagt es an dir, nicht wahr? Es muss schwer sein, sich ständig zu fragen, ob man das Richtige tut, das Richtige denkt … Manchmal verstehe ich, wieso Jehovah seine nackten Affen davor schützen wollte, während viele andere Götter die Erkenntnis als Geschenk an ihre Anhänger herausgaben.«
    Ebenso wenig würde er sich provozieren lassen. Jul atmete tief durch, legte eine schneidende Kälte in seine Stimme. »Vergiss nicht, dass du etwas von uns willst.«
    »Falsch. Ich biete euch meine Hilfe an. Und ihr werdet sie brauchen. Ihr denkt, dies hier wäre schlimm?« Der Morgenstern schloss

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