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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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in einer knappen Geste den gesamten Krater ein. »Bisher ist nur die Zeit ein wenig aus den Fugen geraten. Wartet ab, was noch kommen wird.«
    Sein Blick bohrte sich in den Juls, und er senkte die Stimme zu einem Zischen. »Natürlich gewinne ich auch etwas dabei, wenn ich euch helfe. Jehovah und ich werden mit dieser Welt vergehen, ganz gleich, was die Seraphim glauben. Er hat sie nicht erschaffen, er wird sie nicht überleben. Aber ich sieche hier lieber weiter dahin, als einen Menschen und einen Engel um irgendetwas zu bitten. Ist das klar?«
    So viel Stolz. Es war nicht schwer zu erkennen, was zum Fall des Morgensterns geführt hatte. Aber in den gelben Augen flackerte es. Das war doch nicht etwa Furcht? Konnte es sein, dass er die Sterblichkeit fühlte, so wie Jul sie auf dem Weg hierher gefühlt hatte? Konnte es sein, dass diese ganze abstruse Geschichte doch ein Körnchen Wahrheit enthielt?
    Jul schluckte. Alles in ihm zog sich zusammen. Seine Finger glitten über die Knöpfe seiner Jeansjacke, und diesmal war es ihm egal, wie viel diese Angewohnheit über seine innere Unruhe verriet.
    Das goldene Glühen jenseits der Schattenflügel zog seinen Blick an. Allwissend und allmächtig. Nicht einmal die Seraphim glaubten mehr, dass der Herr beides war. Immerhin versuchten sie verzweifelt, ihn zu schützen, ihn wieder aufzuwecken aus seinem Schlaf. Allmacht ließ nicht zu, dass man geschwächt unter der Erde lag, verbunden mit seinem ärgsten Feind. Außer, dies war irgendwie Teil eines höchst komplizierten Plans. Doch wie lange konnte Jul sich noch an diese Hoffnung klammern? Er fühlte, wie er langsam den Halt verlor.
    Eine Bewegung neben ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Amanda stemmte sich in die Höhe, trat einen Schritt näher. »Sprich weiter. Gott hatte also eine mächtige Waffe. Aber was hat das damit zu tun, dass die Welt im Moment zum Teu… ähm … untergeht?«
    Der Morgenstern hob den Blick, sah sich kurz in der Höhle um, bevor er fortfuhr. »Die Herrschaft über ihre Anhänger war vielen der Götter nicht genug. Sie wollten die Welt nicht mehr mit den anderen teilen, und so schufen sie mächtige Waffen, mit denen sie einander bekämpften. Waffen, die nicht nur töteten, sondern auch die Kräfte des Besiegten auf den Sieger übertrugen. Jehovah besaß eine davon.«
    Ein Funkeln trat in die Augen des Gefallenen, belustigt vielleicht.
    »So viel zu Güte und Sanftmut, nicht wahr? Er gewann immer mehr an Macht. Schließlich eroberte er den Himmel und den Garten Eden für sich. Nicht einmal sie stammen aus seiner Hand. Er hatte sie anderen genommen und nach seinen Wünschen neu geformt. Das Einzige, was er jemals erschaffen hat, waren wir Engel. Und nachdem er mit uns eine Armee sein Eigen nannte und in den Nachkommen von Adam und Eva seine ersten Anhänger fand, machte er sich daran, seinen Herrschaftsbereich auszudehnen.«
    Jul schluckte, versuchte vergeblich, den Kloß in seiner Kehle loszuwerden. Auf schreckliche Weise ergab dies alles Sinn. All die Befehle, die er nicht verstanden hatte, fügten sich zu einem stimmigen Bild, wenn ihr einziger Zweck der Gewinn von mehr Macht gewesen sein sollte. Einschüchterung, Beseitigung von Feinden. Aber der Herr war nicht so kaltblütig, nicht so grausam. Er liebte die Menschen.
    »Erstaunlich, nicht wahr?« Der Morgenstern blickte ihn an, als erriete er seine Gedanken. Doch im nächsten Moment sah er sich erneut um, bevor er schneller fortfuhr: »Mit der Zeit fühlte er sich sicher. Er glaubte, mich kontrollieren zu können, und die alten Götter der meisten semitischen, afrikanischen und europäischen Stämme waren tot oder fristeten ein Schattendasein unter meinem Schutz. Amerika fiel ihm förmlich in den Schoß. Er musste nur zusehen, wie seine Menschen es für ihn eroberten und missionierten. Er fühlte sich unbesiegbar, wurde unachtsam, und das ermöglichte es mir, eine der Waffen an mich zu bringen, mit denen die Götter sich bekämpften. Das war der Grund für den zweiten Krieg.« Die Dunkelheit wogte, erweckte für einen Augenblick den Eindruck, alles Licht verschlingen zu wollen. Bitterkeit schlich sich in die Stimme des Morgensterns. »Ich musste ihm nur nah genug kommen.«
    Plötzlich erstarrten sie, die Dunkelheit und ihr Herr. Ein Zittern schüttelte den Gefallenen wie ein Krampf, und goldenes Licht spülte über sie hinweg, als sich die Schatten zusammenzogen, die Flügel zuckten. Er krümmte sich zusammen, als litte er Schmerzen, zischte etwas,

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