Aeternum
Blut glänzte feucht auf dem Stoff der Bluse. Hatte er sie getötet?
Mit einem bitteren Geschmack im Mund ging Jul neben ihr auf die Knie, tastete nach einem Puls. Er war schwach, aber vorhanden. Erleichtert atmete er auf. Jul rollte Amanda auf den Rücken, ignorierte dabei den Schmerz in seinem linken Arm. Seine eigenen Wunden würde er später heilen. Er schob die Hand fort, die immer noch über einer Stelle dicht unter ihren Brüsten lag. Doch rechts, nicht links. Er hatte nicht auf das Herz gezielt.
Da war das Loch, das die Kugel in den Stoff gefressen hatte, darunter alles rot, so dass er nicht erkennen konnte, ob ihre Heilkräfte überhaupt nicht oder nur teilweise gewirkt hatten. Eilig riss Jul an den Knöpfen der Bluse, kümmerte sich nicht darum, dass einige absprangen.
Schwach im hellen Sonnenlicht leuchtete Michaels Feder auf. Sie steckte hinter dem rotfleckigen BH, war wie durch ein Wunder frei von Blutflecken geblieben. Doch nicht nur das. In der Höhle hatte Jul deutlich mehr Schatten in dem feinen Gebilde aus Licht gesehen. Es schien, als würde es sich regenerieren. War es dem Morgenstern nicht gelungen, die Verbindung vollständig zu trennen? Das würde erklären, woher Michael von Baal wusste. Wahrscheinlich hatte er zu diesem Zeitpunkt nur noch Bruchstücke mitbekommen, kannte daher den Namen des Dämons, aber nicht den Zusammenhang, in dem er stand. Und so hatte er sicher auch Amanda gefunden.
Jul packte die Feder und schleuderte sie fort. Mit einem Zipfel des Blusenstoffs, der noch einigermaßen trocken war, wischte er das Blut von Amandas Haut. Ein Einschussloch kam zum Vorschein, doch nicht sehr tief. Offensichtlich hatte sie die Verletzung zumindest teilweise heilen können. Er legte die Finger neben die Wunde, und blaues Glühen irrlichterte über ihre Haut. Nun würde sich zeigen, ob sie ihre Seele tatsächlich nicht verkauft hatte.
Die Wunde schloss sich langsam, beinahe widerwillig. Vielleicht lag es an dem Dämonenblut. Doch sie heilte. Das war alles, was zählte. Langsam fiel die Anspannung von Jul ab. Er hatte Amanda nicht getötet! Sie würde leben. Und sie hatte ihn nicht belogen. Ihre Seele gehörte noch immer ihr.
Schließlich blieb nur noch ein vernarbter Fleck zurück, und Amanda regte sich, hustete. Rote Tropfen glänzten auf ihren Lippen. Sie rollte sich auf den Bauch, und ein heftiger Hustenanfall schüttelte sie, sie spuckte Blut. Jul hielt ihr Haar zurück, stützte sie.
Schließlich würgte Amanda ein letztes Mal und wischte sich mit dem Handrücken blutigen Speichel vom Mund. Dann setzte sie sich auf, sah an sich hinunter.
»Arschloch.« Ihre Stimme klang heiser. »Du hast echt auf mich geschossen.«
Jul lachte, konnte nicht anders, obwohl er nicht wusste, wieso. »Mir ist nichts Besseres eingefallen. Ohne deine Magie hätte ich keine Chance gegen Michael gehabt. Es tut mir leid.«
»Das war der mieseste Plan aller Zeiten.«
Jul lächelte. »Zumindest hat er funktioniert. Aber wir müssen hier weg. Kannst du gehen?«
Sie nickte, und mit seiner Hilfe kam sie auf die Beine. Ihre Bluse stand noch immer offen, und obwohl es dafür nun wohl zu spät war, wandte er den Blick ab, versuchte nicht zu starren. Er hatte die Menschen lange genug beobachtet, um zu ahnen, was für Gefühle dieser Anblick bei ihm auslöste, doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich damit auseinanderzusetzen.
So schnell es ging, eilten sie auf Karins weißen Kombi zu, der nicht weit von den Gleisen entfernt an einer Hausecke stand. Ganz in der Nähe lag mit verdrehten Gliedern der Engel, den Amanda gegen die Hauswand geschleudert hatte. Er regte sich schwach, doch es würde noch eine Weile dauern, bis er die Verfolgung aufnehmen konnte. Jul hielt sich so neben Amanda, dass sein Körper sie vor dem Anblick abschirmte.
»Ich schätze, du hast dich entschieden«, stellte sie fest, als sie das Auto fast erreicht hatten.
»Ich schätze, das habe ich.« Jul seufzte. Ja, nun gab es kein Zurück mehr. »Du solltest übrigens während der Fahrt die Augen geschlossen halten. Sonst sieht dein Meister, wohin wir fahren.«
22
A manda spürte das Vibrieren des Motors, und um sie herum rauschte der Berliner Verkehr. Den Geräuschen nach zu urteilen, fuhren längst nicht so viele Autos wie sonst. Sirenen heulten an ihnen vorüber, nicht zum ersten Mal, seit sie unterwegs waren. In der Ferne hörte man sie ständig. Juls Freundin, Karin, musste immer wieder Umwege fahren, weil Straßen gesperrt
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