Aeternum
geschickt auf einen Irrweg gelockt?
»Leider sieht es nicht so aus, als würde die Dämonendienerin ihre Sünden bereuen.« Der Erzengel trat einen weiteren Schritt vor und legte Jul eine Hand auf die Schulter. »Dich muss verwirrt haben, was du dort unten gehört hast, und vielleicht hat auch das hübsche Gesicht dieser Frau dich für sie eingenommen. Doch ist es nicht so, dass unser gefallener Bruder ihr einen Auftrag erteilt hat, der den Plan des Herrn vereiteln und die letzte Schlacht zu seinen Gunsten entscheiden soll? Sag mir, welche Rolle Baal dabei spielt.«
Juls Gedanken drehten sich im Kreis. Wem sollte er glauben? Was sollte er glauben? Zweifel und immer mehr Zweifel. Wurde er sie denn niemals los?
Jul blickte an Michael vorbei. Amanda stand mit harter Miene und vollkommen aufrecht am Zaun. Wenn, dann war auch sie getäuscht worden, da war er sich sicher. Sie wusste nicht mehr als er. Ihre Blicke trafen sich, und sie legte fragend den Kopf schief, als wollte sie herausfinden, ob er noch immer bereit war, ihr zu helfen. Aber konnte er ihr helfen? Konnte er Michael von ihrer Unschuld überzeugen?
»Amanda will nur ihren Bruder in Sicherheit wissen.« Jul sah in die stahlgrauen Augen des Erzengels. »Das ist ihr einziges Ziel. Sie hätte am liebsten gar nichts mit alldem hier zu tun.«
Mit sanftem Blick schüttelte Michael den Kopf, wie ein Vater, der besonders viel Geduld für sein begriffsstutziges Kind aufbringt. »Du lässt dich zu leicht täuschen, Iacoajul.« Der Erzengel nahm die Hand von Juls Schulter und trat beiseite, gab den Weg zu Amanda und Karin frei. »Ich will dich dennoch wieder in unsere Reihen aufnehmen. Du sollst deine Flügel zurückerhalten und an unserer Seite gegen die Dämonen kämpfen. Du musst mir dafür nur im Detail erzählen, was der Morgenstern über Baal gesagt hat. Außerdem …« Er deutete in Richtung der beiden Frauen. »Der Herr ist angreifbar in diesen Momenten der Entscheidung. Niemand außer uns darf erfahren, wo er sich befindet.«
»Sie müssen also sterben, weil sie zu viel wissen? Beide?« Juls Stimme klang tonlos in seinen Ohren.
Michael nickte, ernst und ruhig. Karin schnappte erschrocken nach Luft. Amandas Miene wurde undurchdringlich. Sie sah ihn an, und der Vorwurf in ihren Augen schmerzte.
»Es steht hier viel mehr auf dem Spiel als nur die vergängliche irdische Existenz zweier Menschen. Verstehst du das?« Die Stimme des Erzengels war eindringlich. Er musterte Jul, schien nach einem Anzeichen zu suchen, dass seine Worte zu ihm durchgedrungen waren.
Jul verstand sehr wohl. Und er zweifelte keinen Augenblick an Michaels Aufrichtigkeit. Vielleicht war das das Schlimmste an der Sache. Der Erzengel war nicht grausam. Er tat nur, was er für nötig hielt. Er war tatsächlich davon überzeugt, dass die beiden Frauen eine Gefahr darstellten. Und er versuchte alles, um Jul begreiflich zu machen, was er für die Wahrheit hielt, ihn in die Schar zurückzuholen, einen weiteren Kämpfer für seine Sache zu gewinnen.
Michael lehnte sich vor. »Beweise mir, dass du es verstehst. Und falls du recht hast und ihre Motive rein sind, werden sie an der Seite des Herrn sitzen, sobald dies alles vorüber ist.«
Jul nickte langsam. Und mit einem Mal klärte sich das Durcheinander seiner Gedanken. Die Zweifel waren noch immer da, er konnte nicht mit Sicherheit sagen, was richtig oder falsch war. Da war nur ein vages Gefühl, das ihm sagte, was er zu tun hatte. Doch es war immerhin mehr als nichts. Und wenn er nicht darauf hörte, wozu war der Biss in den Apfel dann gut gewesen?
Kurz wanderten seine Gedanken weiter zu seinen Flügeln, zu Michaels Versprechen. Die Narben auf seinem Rücken pochten schmerzhaft. Höchstwahrscheinlich würde er diese Entscheidung bereuen. Aber es hatte ja auch nie jemand gesagt, dass es einfach war, das Richtige zu tun.
Langsam zog Jul die Hände aus den Taschen und umschloss den Griff seiner Waffe. Karins Augen weiteten sich ungläubig. »Jul?«
»Mach dir keine Sorgen, Karin.« Er richtete die Waffe auf Amanda. Dies konnte schrecklich schiefgehen. Seine Hände zitterten kaum merklich. Er dachte daran, was sie ihm über den Tag erzählt hatte, an dem ihr Meister sie und ihren Bruder gefangen hatte. Wie ihre Magie aus ihr herausgebrochen war, als sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte. Ob es noch einmal funktionieren würde?
Bevor er es sich anders überlegen konnte, drückte Jul ab. Diesmal zog die Kugel keinen Schweif blauen
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