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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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gefunden hatte. Allein bei dem Gedanken, dass es dazu dienen würde, ein Stück aus ihr herauszuschneiden, drehte sich ihr der Magen um.
    »Ich habe sie mal vor einem niederen Dämon gerettet.« Wieder ergriff Jul ihren Arm, warnte sie leise vor der ersten Stufe der Treppe. Sie fühlte ihn dicht neben sich, roch den Staub in seiner Kleidung und etwas anderes, das sie an kalte, frische Luft denken ließ. Derselbe Geruch hing auch in Juls Jeansjacke, die sie noch immer trug.
    »Wie das?«
    »Karin hat einiges für Verschwörungstheorien übrig. Sie hat eine Internetseite darüber und erstaunlich viele Kontakte, die sie mit Informationen versorgen. Als sie von seltsamen Ratten in einer alten Hausruine gehört hat, wollte sie das überprüfen. Ich bin ihr zu Hilfe gekommen. Und da ich zu der Zeit auf der Straße gelebt habe, hat sie mir angeboten, bei ihr zu wohnen. Ich glaube, am Anfang war das ein Vorwand, um so viel wie möglich über mich zu erfahren.«
    »Du hast auf der Straße gelebt?« Der Klumpen in Amandas Magen war noch immer da, doch der Smalltalk tat seinen Dienst und hielt ihre Nervosität in Grenzen.
    »Es ist nicht so einfach, sich in eurer Gesellschaft zurechtzufinden. Vor allem, wenn jeder Mensch, dem man begegnet, Gefühle in einem auslöst, die man nur sehr langsam zu verstehen lernt.«
    Schweigend stiegen sie weiter die Treppe hinauf. Erst als Amanda schon dachte, Jul wolle bis in den Dachboden des Gebäudes klettern, blieb er stehen. »Lass es uns mit dieser Wohnung versuchen.«
    Seine Hand schloss sich um die ihre, führte sie, bis sie den Knauf einer Tür ertastete. Es war erstaunlich leicht, sich von ihm die Richtung weisen zu lassen. Er schien genau zu wissen, welche Hinweise er ihr geben musste, damit sie sich zurechtfand. Gleichzeitig fühlte sie sich unwohl dabei, derart auf jemand anderen angewiesen zu sein. So tief saßen Balthasars Lektionen, dass sie sich, blind wie sie war, schutzlos und ausgeliefert fühlte, obwohl sie inzwischen sicher war, Jul vertrauen zu können.
    Amandas Finger glitten an dem Metall hinab bis zum Schloss. Nichts Kompliziertes, natürlich nicht. Wieder zog sie einen der Dietriche hervor, die in ihren Gürtel eingearbeitet waren. Auch das war ein Geschenk von Balthasar gewesen. Er hatte wirklich an alles gedacht, das musste sie ihm lassen.
    Kurze Zeit später sprang die Tür auf, und ein Schwall muffiger Luft wehte ihnen entgegen. Das Schweigen zwischen ihnen rauschte in Amandas Ohren, während Jul sie in die Wohnung hineinführte. Konnte er nicht irgendetwas sagen? Ihr Kopf war plötzlich wie leergefegt, ihr Mund trocken. Nun musste sie sich gleich dem Versuch stellen, diese verfluchten Tattoos loszuwerden.
    Etwas knirschte unter ihren Schuhen, wahrscheinlich Gips, der beim letzten Beben von der Decke gerieselt war. Licht sickerte durch den Stoff des Schals, als sie aus dem dunklen Eingangsbereich in ein helles Zimmer traten. Alte Holzdielen knarrten unter ihren Schritten.
    Schließlich blieb Jul stehen. »Wir sollten es nicht lange hinauszögern.« Sie spürte den Luftzug, als er neben ihr in die Hocke hing, dann zog er sie ebenfalls zu Boden. »Leg den Kopf in meinen Schoß. Dann fällst du nicht um, falls du ohnmächtig wirst.«
    Diese Worte genügten, damit sich Amandas Magen wieder verkrampfte. Mit dem prickelnden, brennenden Schmerz, den Balthasar einsetzte, um sie zu bestrafen, konnte sie umgehen. Doch dies hier würde etwas vollkommen anderes werden. Sie zitterte, als sie sich auf dem harten Boden ausstreckte. Holz mit Linoleum darüber. Ihre Finger ertasteten sogar ein eingeprägtes Kachelmuster, und mit derselben Klarheit nahm sie wahr, wie der blutverkrustete Stoff ihrer Bluse an ihrem Bauch und ihrem Rücken klebte. Ihr Bewusstsein tat alles, um sich abzulenken, sandte ihr gestochen scharfe Sinneseindrücke.
    Jul zog ihren Kopf auf seinen Schoß, und erneut stieg ihr sein besonderer Geruch in die Nase. Er erinnerte sie an einen klaren Wintertag. Sie spürte, wie er sich über sie beugte, der Knopf seiner Jeans drückte gegen ihren Hinterkopf. »Halte die Augen geschlossen.« Er streifte ihr die Augenbinde ab, Stoff raschelte, dann drückte er ihr den Schal als fest gerolltes Päckchen in die Hände. »Ist vielleicht ein bisschen fusselig, aber du brauchst was zum Draufbeißen.«
    Amanda stieß ein kurzes Lachen aus. »Du klingst wie ein Experte. Hast du schon oft an Leuten rumgeschnitten?«
    »Ich schätze, Kämpfe zählen nicht?« Jul musste spüren,

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