Aeternum
waren.
Amanda zupfte an dem Schal, der ihre Augen bedeckte. Jul hatte ihn in dem mit Gerümpel vollgestopften Kofferraum des Autos gefunden. Da Balthasar nun wieder durch ihre Augen sehen konnte, musste sie verhindern, dass er sah, wo sie sich versteckte. Dies war vorerst die beste Lösung.
Amanda vergrub das Gesicht in den Händen. Für kurze Zeit hatte es den Anschein erweckt, als könnte alles gut werden, als hätte sie die Dinge im Griff. Doch nun herrschte wieder Chaos. Sie waren gerade so mit dem Leben davongekommen und auf der Flucht. Außerdem wusste Michael mehr, als er wissen durfte. Er hatte sie nach Baal gefragt. Sie hatte ihn im Gegenzug einen beschissenen Lügner genannt, der seine Versprechen nicht hielt.
Bremsen quietschten, ein lauter Knall. Amanda wurde in ihren Gurt geschleudert, als auch Karin in die Eisen stieg.
»Habt ihr das Ding gesehen?« Juls Mitbewohnerin klang panisch. »Scheiße, sind das Hörner? Ist das das, was ich denke, dass es ist?«
Amanda verkrampfte die Hände um die Kanten ihres Sitzes, musste sich zwingen, die Augenbinde nicht hochzuschieben. »Was ist los?«
»Ein Dämon ist auf die Straße gestürzt.« Der Engel sprach vollkommen ruhig. »Da, siehst du diese Seitenstraße, Karin?«
Das Auto ruckte, als Karin die Kupplung zu schnell kommen ließ und ihren Wagen in eine scharfe Kurve zwang. Bald darauf wurde es ruhiger, Sirenen und das Chaos des Stadtverkehrs blieben hinter ihnen zurück. Nur Karins leise Stimme war noch zu hören. »Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße …«
Dafür, dass sie ihre zwei ungewöhnlichen Passagiere durch einen Krieg steuerte und erst vor ein paar Minuten erfahren hatte, was unter dem Alexanderplatz lag, schlug sie sich allerdings ziemlich gut. In der kurzen Zeit, die sie Karin kannte, hatte Amanda großen Respekt für die Frau mit dem rotgefärbten Haar entwickelt. Nicht zuletzt, weil Karin sie mit Hilfe eines Seils und eines gewagten Klettermanövers aus dem Krater geholt hatte.
Amanda biss sich auf die Unterlippe, lauschte angestrengt nach draußen. Falls im Himmel über ihnen wirklich Engel und Dämonen aufeinanderprallten, hörte sie nichts davon. Immerhin hatten diese Kämpfe ein Gutes. Balthasar war vielleicht zu beschäftigt, um sich um Roman zu kümmern.
»Oh, bitte lass es so sein.« Amandas Lippen bewegten sich stumm, bis ihr auffiel, dass dies ein schlechter Zeitpunkt war, um mit dem Beten anzufangen. Niemand würde sie hören.
Mit einem Seufzer lehnte sie sich zurück. Sie trug Juls Jeansjacke, aber die Bluse darunter hatte sie trotz der Temperaturen nicht ausziehen wollen. Nicht im Auto. Der von ihrem eigenen Blut durchnässte Stoff klebte unangenehm an Bauch und Rücken, ihr Hals schmerzte vom Husten, und sie hatte schrecklichen Durst. Sie schauderte bei dem Gedanken, wie es sich angefühlt hatte, an ihrem eigenen Blut zu ersticken. Für einen Moment hatte sie wirklich geglaubt, Jul würde sie umbringen, um seine Flügel zurückzubekommen. Und obwohl er das offensichtlich nie vorgehabt hatte, war sie dem Tod eindeutig zu nahe gekommen. Es war wirklich ein verdammt beschissener Plan gewesen. Amanda schlang die Arme fest um ihren Oberkörper, versuchte, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
Bisher schien sie niemand zu verfolgen. Aber Jul war überzeugt, dass Michael überlebt hatte. Außerdem gab es ihm zufolge noch einen Haufen weiterer Erzengel, die Michaels Arbeit zur Not fortführen würden.
»Halt mal eben still, Amanda.« Juls Stimme erklang dicht neben ihr, dann fühlte sie seine Finger an ihrer Schläfe. Er schob die Augenbinde an dieser Stelle ein wenig hoch und strich über das Symbol, das dort eintätowiert war. Sie krallte die Finger in den Stoff ihrer Jeans, um sich daran zu hindern, seine Hand beiseitezuschieben. Niemand sollte diese scheußlichen Zeichen berühren. Schlimm genug, dass sie die Tattoos an ihren Schläfen nicht unter Kleidung verstecken konnte.
»Irgendeine Idee, wie ich die Dinger wieder loswerden kann?«, fragte sie angespannt.
»Ich kenne mich mit diesen Tätowierungen nicht aus.« Endlich ließ Jul die Hand sinken. »Aber das Sicherste wäre wohl, sie rauszuschneiden.«
Amandas Magen krampfte sich zusammen. Als ob dieser Tag nicht schon genug Unannehmlichkeiten bereitgehalten hätte. Doch sie zwang sich zu einem Nicken. »Du hast nicht zufällig ein Skalpell dabei?«
»Ich hab irgendwo im Kofferraum ein Taschenmesser, glaube ich.« Das war Karins Stimme, die aus der
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