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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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den Krater umrunden.
    Tatsächlich. Sie überquerten die nächste wie ausgestorben daliegende Kreuzung und gingen auf die Stelle zu, an der der Fernsehturm hätte stehen müssen. Nur noch klägliche Reste der Grundmauern ragten hier in die Höhe. Jul sah sie und starrte doch durch sie hindurch. Ein Gedanke hämmerte in seinem Kopf und verdrängte alle anderen. In diese Richtung war Amanda gegangen.
    Cadmiel schwieg, während sie die Karl-Liebknecht-Straße hinuntergingen, und Jul sah keinen Sinn darin, ihm weitere Fragen zu stellen. Sein Begleiter wirkte noch immer angespannt. Mit halb ausgebreiteten Flügeln, das Schwert fest umklammert, behielt er aufmerksam die Fassaden der Häuser im Auge, als erwarte er, dass jeden Moment ein Dämon aus einem der Fenster oder Hinterhöfe gestürzt kam. Automatisch spähte auch Jul immer wieder in die Hauseingänge, hielt nach Bewegungen Ausschau.
    Weiter vorne hatte vor dem Einsturz des Platzes eine S-Bahn-Brücke über die Straße zu dem Bahnhof geführt, der nun in Trümmern am Grund des Kraters lag. Inzwischen stand diese Brücke nur noch zur Hälfte. Stützpfeiler waren weggebrochen, als der Boden unter ihnen nachgegeben hatte, und verbogene Gleise ragten über die klaffende Kante bis weit in den Krater hinunter. Der Zaun machte an dieser Stelle einen Knick, um auch die Brücke mit abzusperren.
    Dort warteten sie.
    Zuerst entdeckte Jul die Engel, deren Flügel sich hell von den Trümmern hinter ihnen abhoben. Dann sah er auch die Menschen. Karins rotgefärbter Haarschopf war leicht auszumachen, neben ihr Amanda in ihrer staubigen, schwarzen Bluse und der Jeans voller Löcher und Blutflecken. Sie standen mit dem Rücken zum Zaun, halb verdeckt von ihren Bewachern, die sich mit gezogenen Schwertern vor ihnen aufgebaut hatten. Zwei Engel waren es, mit Cadmiel drei. Dazu kam Michael, der ihnen nun entgegenging, die Hand am Schwertgriff, wie der Feldherr, der er früher gewesen war und nun wohl wieder sein würde.
    Jul zwang sich, seinen Weg gemessenen Schrittes fortzusetzen. Er schob die Hände in die Taschen seiner Jacke, um deutlich zu machen, dass er nicht vorhatte, nach seiner Waffe zu greifen. Seine Gedanken rasten auf der Suche nach einem Grund, den er Michael auftischen konnte, damit er Amanda trotz des Krieges mit den Dämonen am Leben ließ. Karin war unschuldig, sie war sicher nicht in Gefahr. Aber Amandas Tätowierungen kennzeichneten sie viel zu deutlich als in diesem Konflikt der falschen Seite zugehörig.
    Michaels Miene war düster. Er blieb dicht vor Jul stehen, hielt sich nicht mit Begrüßungen auf. »Was hat es mit Baal auf sich?«
    Die Frage erwischte Jul vollkommen unvorbereitet. Woher wusste der Erzengel von Baal? Der Morgenstern hatte die Macht der Feder gebrochen, bevor er diesen Namen genannt hatte. Hatte Amanda Michael erzählt, was sie vorhatte? Wie viel hatte sie ihm erzählt? Jul schwieg, unsicher, was er sagen sollte. Offensichtlich einen Moment zu lang.
    »Bist du ein Engel, oder bist du keiner, Iacoajul?« Michaels Blick schien ihn zu durchbohren. »Ich kann darüber hinwegsehen, dass du diese Dämonendienerin entkommen lassen wolltest. Das schreibe ich deiner besonderen Situation zu. Allerdings darfst du nicht vergessen, wem du Loyalität schuldest.«
    Juls Gedanken überschlugen sich. Er musste Zeit gewinnen, herausfinden, was Michael plante und was er wusste. Und er musste sich darüber klarwerden, wo er selbst stand. »Du hast ihr deinen Schutz versprochen.«
    »Und ich halte mein Wort. Ich werde für ihr Seelenheil kämpfen wie für das aller anderen Menschen.« Ein Lächeln spielte um die Lippen des Erzengels. »Hast du die Zeichen nicht erkannt? Was ihr dort unten gesehen und gehört habt, hat mir die Augen geöffnet. Die Wege des Herrn sind unergründlich und rätselhaft, doch eines ist deutlich: Das Jüngste Gericht steht bevor. Wir müssen die letzte Schlacht gewinnen und das Himmelreich auf Erden errichten. Wenn diese Dämonendienerin ihre Sünden bereut, wird sie dort ihren Platz finden.«
    Das Jüngste Gericht. Der Gedanke lag so nahe, dass Jul erstaunt war, bisher selbst nicht daran gedacht zu haben. Doch war das Ende aller Zeiten nicht etwas, das der Herr persönlich einleiten musste, das auf seinen Befehl geschehen würde? Jul hatte die Wunde in dem leuchtenden, göttlichen Leib gesehen. Dies war nicht Teil irgendeines Plans, dies war nichts, was der Herr selbst in Gang gesetzt hatte. Oder etwa doch? Hatte der Morgenstern ihn so

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