Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
Christian.«
Er blickte hinunter auf seine Hände. Antoinette sah sie so deutlich, dass sie jedes einzelne Haar auf ihnen erkannte. Sie hörte den langsamen Schlag seines Herzens – viel langsamer als den ihren – doch nein, so war es nicht mehr.
»Christian?«, wiederholte sie, und in ihrem Kopf drehte sich alles, als sie allmählich begriff, was das bedeutete.
»Es war die einzige Möglichkeit, dich zu retten«, flüsterte er.
»NEIN!« Sie schüttelte den Kopf, wollte es nicht glauben.
»Antoinette, bitte hör mir zu. Du wärest sonst gestorben – es war keine Zeit mehr für irgendetwas anderes.« Er streckte die Hände aus.
Sie schlug sie beiseite und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Sie wollte so weit von ihm entfernt sein wie möglich. »Dann hättest du mich sterben lassen sollen.«
Er hob den Blick und sah sie an. »Das konnte ich nicht.«
»Ich wäre lieber tot als … das hier.« Sie wischte sich die Handflächen an den Schenkeln ab, als wären sie schmutzig, und erkannte zum ersten Mal, dass sie nackt war. Sie riss ein Bettlaken an sich und wickelte sich hinein.
»Ich dachte, du kennst unsere Art gut und wirst es nicht als solche Last empfinden.«
»Ich bin ein … Ich war ein Mensch. Und jetzt bin ich …« Sie verstand die verworrenen Gedanken nicht, die ihr durch den Kopf schossen. Aber ein Wort war klar und deutlich, und es machte ihr Angst. Nekrodrenie.
Er streckte die Hände aus, aber sie wich vor ihnen zurück.
»Nicht«, zischte sie. »Fass mich nicht an.«
Schmerz lag in seinem Blick. Er zog die Hände zurück, als hätte er sich am Feuer verbrannt. Antoinette wandte sich ab, lief zur Kommode, holte ein sauberes T-Shirt sowie eine Hose hervor und zog sich rasch an.
Schriller Lärm erfüllte plötzlich das Zimmer, und sie hielt sich die Ohren zu. Christian zog ein Handy aus der Tasche, klappte es auf und lauschte. Ohne etwas zu sagen, schloss er es wieder. »Ich muss gehen.«
»Wohin?«, fragte sie mit Verwirrung und Sorge im Blick.
»Das sage ich dir, wenn ich zurückkomme«, versetzte er und lief aus dem Zimmer.
»Das glaubst du nur«, sagte sie ins leere Zimmer hinein. »Dann werde ich nicht mehr hier sein.«
Antoinette sprang über das Bett, und das Summen in ihren Ohren ließ nach. Wohin konnte sie gehen?
Nach Hause ! Vielleicht konnte Lucian ihr helfen, dorthin zu gelangen.
Sie hielt inne. Lucian …
Etwas blitzte in ihrem Kopf auf.
Eine Betonwand, einige blonde Köpfe mit Glasaugen und leuchtender, lackierter Haut.
Und …
Fotos – viele Fotos von ihr und Lucian.
Dante war hinter Lucian her …
Sie nahm das Telefon und wählte. Ein Diener antwortete nach dem zweiten Klingeln, und die Stille schien ewig zu währen, als er seinen Arbeitgeber holte.
»Antoinette?«, drang Lucians Stimme endlich durch den Telefonhörer.
Erleichterung durchflutete sie. »Gott sei Dank, es geht Ihnen gut. Kann ich zu Ihnen kommen?«
»Warum?« Seine Stimme klang warm und besorgt. »Was ist los?«
»Das werde ich Ihnen erklären, wenn ich bei Ihnen bin«, sagte sie.
»In Ordnung. Ich schicke jemanden, der sie herbringen wird. Wann?«
»So schnell wie möglich.«
Antoinette legte auf und holte ihren Rucksack unter dem Bett hervor. Sie ging zur Kommode und stopfte ihre Kleidung hinein, ohne sie vorher zu falten, und zog dann eine Jeans heraus.
»Wohin wollen Sie?«, fragte Lilijana von der Tür her.
Antoinette machte weiter und sah sie nicht einmal an. »Weg.«
»Sie sollten hierbleiben. Wir können Ihnen helfen.«
Antoinette schnaubte verächtlich. »Ich will Ihre Hilfe nicht. Ich muss …« Sie konnte auf sich selbst aufpassen. »… weg von hier.«
Lilijana seufzte. »Wovor haben Sie Angst?«
Antoinette hielt inne. Zum ersten Mal bemerkte sie,wie entsetzt sie war – über sich selbst. Sie drehte sich zu Christians Mutter um. »Wissen Sie, wie viele Umschlungene zu Dreniern werden?«
»Wovor haben Sie mehr Angst: vor der Nekrodrenie oder vor meinem Sohn?«
Antoinette packte weiter. Diese Frage wollte sie nicht beantworten – nicht einmal sich selbst.
»Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie etwas mehr über die Geschichte unseres Volkes erfahren.«
»Ich weiß genug. Das ist das Erste, was wir auf der Akademie beigebracht bekommen.« Das stetige Brummen in Antoinettes Ohren ließ nach, und auch das Prickeln in ihrem Blut hörte auf, als sie den Reißverschluss ihres Rucksacks zuzog und sich über die Arme rieb.
»Was Sie jetzt spüren, ist die
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