Aeternus - Sanfter Tod: Roman
unten darauffallen. Ein Bad, etwas zu essen und das Bett – das alles war zu viel für sie. Sie musste die Augen schließen. Nur eine Minute lang …
Kitt öffnete die Augen wieder und blinzelte ins trübe Morgenlicht. Sie hob den Kopf aus der kleinen Speichellache auf dem Kissen und wischte sich angewidert mit dem Handrücken über den Mund.
Großartig.
Plötzlich begriff sie, dass sie sich noch auf dem Sofa befand und noch immer die Kleidung trug, die Antoinette ihr geliehen hatte. Die Uhr an der Wand zeigte drei nach acht, was bedeutete, dass sie nicht bloß ein paar Minuten, sondern über zwei Stunden geschlafen hatte.
Jemand ist in der Wohnung. Der Gedanke ließ sie erstarren.
Nichts deutete darauf hin, dass dem wirklich so war, aber sie wusste es. Irgendetwas stimmte nicht, aber sie konnte nicht genau sagen, was es war. Sie war nicht allein.
Kitt rollte von dem Sofa herunter, ging auf dem Boden in die Hocke und legte die Hände auf den niedrigenTisch vor ihr. Nichts bewegte sich in den Schatten, alles war still. Die Wanduhr vertickte die Zeit. Die Sekunden schienen zu ganzen Lebensspannen zu werden. Ihr Herz hämmerte bis zum Hals, und das Brausen des Blutes in ihren Ohren machte sie beinahe taub.
Sie wartete noch einen Augenblick, ehe sie in die Küche kroch. Aus dem Messerblock neben dem Herd zog sie das größte Tranchiermesser heraus. Sein Gewicht lag beruhigend in ihrer zitternden Hand. Sie glitt wieder aus der Küche heraus. Vielleicht war es doch nicht gut gewesen, ihre Stelle als Pathologin aufzugeben – bis heute war sie noch nie von verrückten Frauen angegriffen worden, und niemand war in ihr Appartement eingebrochen.
Aber was war, wenn es sich nicht bloß um einen Einbrecher handelte? Was ist, wenn diese verrückte Aeternus-Schlampe hergekommen ist, um mich zu holen?
Die heruntergelassenen Jalousien verliehen der Wohnung eine gespenstische Atmosphäre aus Schatten und gefiltertem Licht. Kurz dachte sie daran, sich vollständig zu verwandeln, aber stattdessen veränderte sie nur ihre Augen und fasste den Entschluss, einen Antrag auf Aushändigung einer Pistole zu stellen. Nein, nicht eine, sondern gleich zwei. Zwei große.
Alles war still – nun ja, so still, wie es in einer Stadt sein konnte, die zu einem neuen Arbeitstag erwachte. Autohupen ertönten, und hier und da heulten Sirenen. Sie bog die Finger und lockerte kurz ihren festen Griff um das Messer.
Der Korridor, der zu Dylans Zimmer führte, schien sowohl endlos lang als auch gefährlich kurz zu sein. Sie griff in ihre Tasche und suchte nach dem Handy.
Verdammt. Sie hatte keins mehr; sie hatte es gegen die Mauer in der Gasse geworfen. Verdammt, verdammt.
Sie hatte nicht einmal ein Festnetztelefon. Seit DylansTod hatte sie keinen Sinn mehr darin gesehen, es zu behalten. Und jetzt konnte sie nichts unternehmen.
Kitt kroch an der Wand entlang, bis sie die Badezimmertür erreicht hatte, die halb offen stand. Von drinnen drang ein leises Kratzen heraus. Sie packte ihr Messer wieder fester, trat die Tür auf und sah einen Mann auf dem Rand ihrer Badewanne sitzen. Erleichterung spülte ihre Angst weg, und ihr Herzschlag setzte ganz kurz aus, bevor Wut sie erfüllte.
Raven wusch sich getrocknetes Blut von Brust und Körper.
»Was zum Teufel machst du hier?«, wollte sie wissen.
Sein Blick fiel auf das Messer in ihrer Hand, während er fortfuhr, seine Wunden auszuwaschen. »Willst du das da wirklich benutzen?«
Kitt schaute hinunter auf die Klinge, die sie völlig vergessen hatte, und legte sie auf einen niedrigen Schrank neben sich. Ravens Schnittwunden sahen tief aus, und er war blass vom Blutverlust. Um sich vom Anblick seiner Nacktheit abzulenken, öffnete sie die Tür unter dem Waschbecken und holte einiges an medizinischen Gerätschaften heraus. Der Alkohol stach ihr in die Nase, als sie eine Nierenschale damit füllte. Dann tauchte sie mit einer Pinzette ein Stück Gaze in die Lösung und drehte sich zu ihm hin. Als sie ihm mit dem getränkten Stoff über die Schulter fuhr, zischte er.
Es war nicht sehr schlimm, aber die Wunden waren zahlreich und schränkten Ravens paramenschliche Heilkräfte stark ein. Das Risiko einer Infektion war zwar nicht riesig, aber in Zeiten begrenzter Immunität durchaus vorhanden. Er erzitterte unter ihrer Berührung. Sie wusste nicht, ob es vom Schmerz kam oder eine andere Ursache hatte. Sie lenkte sich ab, indem sie auf das Fußpedal des Abfalleimers trat und die benutzte Gaze hineinwarf,
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