Aetherhertz
Spiegelbild, eine Illusion, gebildet aus ein paar Tönen und Farben. Sie hatte keine Zeit auf ihn zu warten.
Sie ging vorsichtig weiter und näherte sich nun der Quelle. Es war hier abschüssig und steinig. Moos wuchs zwischen den Felsen und kleine Tannen versuchten feste Wurzeln zu schlagen. Sie griff in die Tasche ihres Mantels und holte die Geode heraus. Das Steinei war an einer Stelle aufgebrochen und im Inneren leuchteten blaue Kristalle. Sie blitzten und blinkten, obwohl es doch bewölkt war? Annabelle schaute nach oben. Das Wetter schien sich beruhigt zu haben. Die Wolken waren immer noch grau, hatten aber Lücken, durch die ab und zu die Sonne schien. Auch der Wind hatte aufgehört zu brausen, und sie konnte nun das Wasser der Quelle über die Steine gluckern hören. An dem Ort, wo die Quelle aus dem Boden entsprang, wuchs saftig grüne Brunnenkresse. Sie blühte mit kleinen weißen Blüten.
Annabelle fand den großen Stein, der wie ein natürlicher Stuhl war, und setzte sich. Hier hatte sie schon viele Stunden verbracht. Aber das Wasser strömte von ihr weg, wohin nur? Sie konnte nicht still sitzen. Sie stand wieder auf und folgte dem kleinen Strom. Die Steine waren glitschig und zwischen ihnen wuchs riesiger Farn. Langsam bildete sich ein kleines Bett und am Ufer sprossen Sumpfdotterblumen und Iris. Annabelle wunderte sich keinen Augenblick lang darüber, dass es eigentlich die falsche Jahreszeit dafür war.
Immer breiter wurde der Bach, und als er etwa einen Meter durchmaß, hielt Annabelle an. Sie kauerte an einer Biegung und beobachtete das Wasser aufmerksam. Ihre Augen folgten den Strömen, ihre Gedanken trieben mit den Grashalmen im Wasser. Unbewusst hatte sie ihre linke Hand mit der Geode ins Wasser getaucht. Die Musik des Wassers erfüllte sie mit einem glitzernden Brausen, einem eiskalten Sog, einem lebendigen Ruf.
Sie schloss die Augen und als sie sie wieder öffnete, sah sie in die braunen Augen eines Otters. Das Tier saß am gegenüberliegenden Ufer und blickte sie an. Das Maul war leicht geöffnet, sodass man seine langen Eckzähne sehen konnte. Sein Fell glänzte braun und feucht. Annabelle rührte sich nicht. Nach einer Ewigkeit richtete der Otter seinen Oberkörper auf, blickte sie dabei aber unverwandt an. Plötzlich löste sich das Tier in braungrüne Schleier auf, die durcheinander wirbelten und Annabelle schwindeln ließen. Sie stabilisierte sich mit der rechten Hand am Boden, und als sie wieder nach oben sah, war der Otter verschwunden und an seiner Stelle stand eine Frau.
Die Frau war in braungrüne Gewänder gekleidet, die von Windböen hin und her gewirbelt wurden. Ihre Haare hatten die Farbe des Otterrückens und wehten in langen seidigen Strähnen bis zu ihren Hüften. Sie sah Annabelle mit den gleichen intelligenten braunen Augen an, wie zuvor das Tier. Der Blick war forschend und ernst.
„ Endlich bist du gekommen dich zu entscheiden“, sagte sie mit einer Stimme, die sich anhörte wie das Murmeln des Baches und das Brausen des Windes.
„ Ich ... ich weiß nicht ...“, stammelte Annabelle.
„ Das sehe ich“, sagte die Otterfrau ungerührt. Sie rümpfte die Nase. „Du bist verseucht.“
„ Ich kann nichts dafür“, wehrte sich Annabelle und die Tränen schossen ungehemmt aus ihr heraus. Sie war so verzweifelt, sie war so allein, so unvorbereitet. Sie hatte sich Hilfe versprochen, etwas hatte sie hier hergetrieben, und nun stieß sie auf Ablehnung? Durch den Schleier ihrer Tränen hindurch sah sie die Otterfrau zerfließen, sie wurde undeutlich und schien mit dem Wasser wegzutreiben.
„ Nein!“, rief Annabelle und sprang in den Bach. Sie lief dem Schemen hinterher, rutschte aus und fiel der Länge lang ins Wasser. Schäumend drang es in ihre Ohren, durchnässte ihren Mantel und das Kleid, das sich wie lebendig von der Strömung mitreißen ließ. Es zerrte an ihr und ihre Haare wirbelten wie Wasserpflanzen um ihr Gesicht. Annabelle stieß sich vom Boden ab und kämpfte gegen das Wasser. Dabei verlor sie die Geode und tastete verzweifelt den Grund ab. Immer wieder versuchte sie sich zu erheben, aber das Wasser drückte sie wie ein lebendiges Wesen herunter. Sie kämpfte und hustete, dabei schluckte sie Wasser und wurde immer schwächer und schwächer. Sie versuchte zu schreien, aber es gelang ihr nur kurz.
„ Lass es geschehen“, hörte sie die Stimme der Otterfrau. „Wehr dich nicht.“
Aber dann sterbe ich, dachte Annabelle und versuchte ihr Gesicht an die
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