Aetherhertz
weiß nicht genau, wie ich es sagen soll ...“
„ Das ist kein Problem“, die Nonne legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm. „Sie sind hier am richtigen Ort. Ich führe Sie zur Aufnahme. Haben Sie keine Sorge, der Doktor ist sehr nett.“
„ Ich bin eigentlich nicht ...“, begann Annabelle, der es dämmerte, was die Nonne dachte. Sie ließ es dann aber geschehen, dass die Ordensschwester sie den Gang entlang führte, da das ja eigentlich genau das war, was sie wollte. Die Nonne musterte sie von der Seite und Annabelle spürte, dass sie rot wurde.
„ Sie sind sehr früh da. Wollen Sie das Kind denn haben? Sie wissen, dass Gott alle Kinder liebt. Auch die Ungewollten.“ Annabelle wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie wollte die nette Schwester nicht belügen. Also nickte sie nur.
Im Raum des Arztes wartete sie eine gefühlte Ewigkeit. Zeit, um nachzudenken: Das war ein Ort, wo sie in ihrem Leben nie enden wollte. Der Geruch nach Putz- und Sterilisationsmitteln wurde von verschiedenen Essensgerüchen überlagert, die Gänge waren grau und das Büro hier schmucklos. Wer hier landete, hatte nichts mehr zu verlieren. Was tat man, wenn man das Kind dann bekommen hatte? Wo ging man hin, wer kümmerte sich dann? Oder, noch undenkbarer, wenn man die Entscheidung getroffen hatte, das Kind nicht zu bekommen, oder nicht zu behalten? Annabelle fühlte sich sehr privilegiert, darüber nur theoretisch nachdenken zu müssen.
„ Was kann ich für Sie tun? Ich bin Dr. Wendt.“ Der Arzt betrat den Raum. Annabelle musterte ihn neugierig: Er war zwar noch jung, sah aber sehr müde und angestrengt aus. Tiefe Schatten unter seinen Augen ließen auf eine lange Nacht schließen.
„ Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll“, begann Annabelle unsicher.
„ Sie brauchen mir nichts zu erklären.“ Der Arzt hatte diesen Satz schon oft gesagt.
„ Doch, Sie sollten wissen ...“
„ Hören Sie: Je weniger ich weiß, umso besser. Die Formalitäten erledigen Sie mit einer Schwester. Mich interessiert nur, ob Sie das Kind bekommen wollen oder nicht.” Der Arzt betrachtete sie jetzt auch kritisch. “Da Sie nicht aus armen Verhältnissen kommen, das kann man sehen, gehe ich mal davon aus, Sie hatten einen Unfall, und nun soll niemand etwas davon erfahren.“
Annabelle wurde wütend: “Jetzt hören Sie mir mal zu! Ich bin Annabelle Rosenherz, ich habe keinen Unfall gehabt, und ich will etwas von Ihnen wissen ‒ nicht Sie von mir.“
Der Arzt sah ihr zum ersten Mal in die Augen. Jetzt hatte sie ihn überrascht.
„ Was wollen Sie denn von mir wissen?“
„ Es geht um eine Frau, die vor drei Tagen hier entbunden hat. Sie ist dabei gestorben. Wir sollen die Todesursache herausfinden, und dazu brauche ich Ihre Hilfe.“
Der Arzt runzelte ärgerlich die Stirn.
„ Was haben Sie denn damit zu tun? Ich habe den Fall doch dem Institut von Professor Schmidt übergeben.“
„ Ich arbeite für das Institut. Warum steht der Name der Frau nicht auf dem Auftrag?“
Nun zog der Arzt erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Er wurde zusehends wacher.
„ Tja, liebes Fräulein: Tatsache ist, dass ich dem Institut die Aufklärung in Auftrag gegeben habe, aber der eigentliche Auftraggeber jemand anderes ist, und dieser möchte, dass sowohl sein Name, als auch der der Frau anonym bleibt. Das wusste Professor Schmidt, und er war damit einverstanden. Ich bin nun nicht amüsiert, dass ich ohne Ergebnisse belästigt werde.“
„ Wir kommen ohne Informationen nicht weiter.“ Annabelle konnte auch stur sein.
„ Dann fragen Sie mal. Ich habe allerdings nicht viel Zeit und Geduld.“ Dr. Wendt verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
„ Gehe ich recht in der Annahme, dass die Frau an Blutverlust gestorben ist?“
„ Ja.“
„ Warum hat sie so viel Blut verloren?“
„ Das passiert manchmal bei einer Geburt.“
„ War es eine normale Geburt?“
„ Wäre die Frau dann gestorben?“
„ Nun, wir konnten uns keinen Reim auf einen derart zerfetzten Uterus machen. Ein verpfuschter Kaiserschnitt wäre eine Erklärung gewesen, aber es gab keine Hinweise auf eine Inzision.“
Nun beugte sich der Arzt überrascht nach vorne. Annabelle wusste, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass sie sich so gut auskannte. Was doch so ein paar Fachbegriffe ausmachten!
„ Nun“, begann er langsam. „Das Kind steckte fest. Wir mussten es herausholen.“
„ Womit? Mit Messer und Gabel?“
„ Was wollen Sie mir
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