Aetherhertz
ich habs mir schon fast gedacht, warum will man sonst ins Josefinenheim, und ich denk, hoffentlich schaff ichs noch rechtzeitig. Also hab ich dem Gaul die Peitsche gegeben und bin den Berg hoch. Hab mich schon geärgert, weil ich meinen Gaul nicht zuschanden treiben wollte, aber das Fräulein hat gejammert und auch mal geschrien, und ich hab noch nie was mit dem Kinderkriegen am Hut gehabt. Wenn meine Alte dran war, bin ich immer in die Kneipe und deshalb hab ich auch einen Wallach, weil bei den Stuten ...“
„ Kommen Sie zum Punkt.“ Paul wurde ungeduldig. Die Geschichte war haarsträubend, und er hatte immer noch keine Ahnung, warum der Mann sie ihm erzählte.
„ Nee, gibt keinen Punkt. Habs dann geschafft und der Kerl hat das Fräulein noch reingebracht. Bei Gott, die hat geblutet wie ein Schwein. Ich schau noch nach der Sauerei, da kommt der Kerl schon zurück und sagt nur: »Brenner«. Ich hab den noch zurückgebracht, dann wars das für mich an dem Tag. Der hat nur den normalen Preis bezahlt, ich glaub, der hat mich nicht verstanden, obwohl ich so gebrüllt hab. Bis ich die Sitze sauber hatte und die wieder trocken waren, konnte ich auch zwei Tage nicht fahren. Wenn ich es so recht überlege, fünf Mark ist wenig ...“
Paul dachte nach. So unappetitlich die Geschichte auch war, sie klang wichtig.
„ Wie hieß das Fräulein?“, fragte er, um Zeit zu gewinnen.
„ Weiß ich nicht.“ Der Mann streckte die Hand nach dem Geld aus.
„ Können Sie die Männer beschreiben, die die Frau in die Kutsche gebracht haben?“
„ Männer halt. Der eine war ein Angestellter vom Brenner, der andere ne finstere Gestalt, ich mein, vom Gesicht her. Feinen Zwirn hat der angehabt, das kann ich schwören.“
„ Wie sah die Frau aus, die noch dabei war?“
„ Na, das war eine richtige Dame. Die hatte einen Pelz und Schmuck. Feine Gesellschaft halt.“
„ Das hilft mir nicht weiter.“ Paul untersuchte seinen Geldbeutel eindringlich. Der Kutscher leckte sich die Lippen und überlegte.
„ Ach ja, wenn ich so überlege, die haben ausländisch gesprochen.“
„ Ahh, welche Sprache?“
„ Was weiß ich denn? Die Frau hat immer wieder das Gleiche gerufen. Hörte sich an wie: Lalu tebja, oder so.“
„ Gut. Danke.“ Paul hatte das Gefühl alles Nützliche erfahren zu haben. Er bezahlte den Mann, der sichtlich beschwingt auf seinen Kutschbock kletterte und mit Sicherheit in der nächsten Kneipe einkehrte.
Jetzt blieb nur noch das Geheimnis, warum Annabelle das wissen wollte.
Einige Zeit später klopfte es erneut an der Haustür. Paul kam sich zwar ein bisschen blöd vor, aber als er wieder keine Schritte von Frau Barbara hörte, legte er seine Arbeit erneut beiseite und ging öffnen. Vor ihm stand ein Blumenstrauß. Ein riesiger Blumenstrauß, hinter dem der Bote fast völlig verschwand. Paul nahm den Strauß und gab dem Boten ein Trinkgeld. Die Arbeit hier geht ganz schön aufs Portemonnaie, dachte er verärgert. Er stand einen Moment mit den Blumen unentschlossen im Flur, dann ging er in die Küche. Dort war der Ofen ausgegangen und es war ungemütlich kalt. Er versorgte den Strauß, in dem er ihn in den erstbesten Topf stellte, den er finden konnte. Dann öffnete er den Gasherd und zündete die Flamme an. Das würde den Raum erwärmen, bis er den Kamin in der Ecke angefeuert hatte.
Da er solche Aufgaben normalerweise nicht erledigte, zu Hause hatten sie Dienstboten für so etwas, dauerte es eine ganze Weile. Der Ofen zog nicht, und als die Küche schon voller Qualm war, kam er erst auf die Idee, die Asche einmal abzurütteln. Als das erledigt war, loderte die Flamme schnell und hoch auf, und kurze Zeit später brannten die Scheite im Ofen. Er machte den Gasherd aus, nachdem er sich einen Tee gekocht hatte.
Mit der Tasse in der Hand sah er sich in der Küche um. Wo war Frau Barbara? Er hatte Hunger und sah vorsichtig in die Schränke und die Vorratskammer. Sie waren nicht gerade üppig gefüllt. Paul wurde klar, dass es sicher schwierig für Frau Barbara gewesen war, ohne den Professor zurechtzukommen.
Im Gegensatz zu Annabelle wusste Paul auch, dass das Geld, das die beiden von der „Stiftung“ bekommen hatten, in Wirklichkeit aus einer anderen Quelle kam. Die Stiftung war noch gar nicht rechtskräftig gegründet, und solange die Sammlung des Professors nicht katalogisiert war, konnte man sie auch nicht verwerten. Geld konnte man ja nur machen, wenn man Teile der Sammlung an ein Museum verlieh oder
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