Aetherhertz
selbst ein Museum eröffnete. Aber das dauerte noch.
Auch sein eigenes Gehalt kam aus dieser mysteriösen Quelle. Paul glaubte zwar, dass sein Vater den Geldgeber kannte, aber das würde er ihm, Paul, nicht sagen. Über seinen Vater wollte er jetzt nicht nachdenken. Seufzend nahm er sich einen Apfel und begab sich wieder an seine Arbeit.
Er wollte den Schreibtisch ein wenig aufräumen, da fiel ihm der Name »Hertz« auf einem Brief auf. Er hatte selbst einiges von Heinrich Hertz gelesen, dessen Forschung über elektromagnetische Wellen hatte unter anderen dazu geführt, dass man entdeckte, das man Æther mit Strom zähmen konnte. Der Professor hatte einen umfangreichen Briefwechsel mit Hertz, in dem sie über die Natur des Æthers stritten. Professor Rosenherz postulierte, das Æther auch eine Welle wäre, deren Eigenschaften unterschiedlich war, je nach Herkunft und Komprimierungsgrad. Er schlug Hertz sogar vor, eine Maßeinheit des Æthers nach ihm zu benennen.
Paul war fasziniert und ganz ins Lesen vertieft, da hörte er Annabelles Stimme nach Frau Barbara rufen.
„ Die ist nicht da”, informierte er sie, als sie in die Bibliothek stürmte.
„ Huch!“ Das Fräulein erschrak. Sie vergaß wohl immer, dass er nun den ganzen Tag im Haus war. Sissi fand das toll. Sie fand Paul toll und tanzte um ihn herum. Paul kniete sich zu ihr herunter und knuddelte sie.
„ Wo ist sie denn?“, fragte Annabelle verwirrt.
„ Keine Ahnung.“ Paul schüttelte den Kopf. „Sie ist schon den ganzen Vormittag weg.“
„ Merkwürdig. Sie hat mir nichts gesagt.“ Annabelle zerrte an ihrem Hut, aber sie schien eine Haarnadel vergessen zu haben.
„ Es waren einige Leute hier“, erzählte Paul.
„ Wer denn?“ Aus ihrer Frisur lösten sich einige Strähnen, und sie warf den Hut ungeduldig auf einen Stuhl.
Paul erzählte ihr von dem Kutscher. Ihre Augen leuchteten, während sie ihm gespannt zuhörte, und als er den Mann nachahmte, lachte sie sogar mehrmals laut auf.
„ Was kann das für eine Sprache sein?“, fragte sie ratlos, nahm die Haarnadeln in den Mund und steckte sich die verirrten Strähnen auf.
„ Ich vermute, es ist Russisch“, sagte Paul und verfolgte ihre Bewegungen fast hypnotisiert. Sie hielt mit den Armen über dem Kopf inne und sagte an ihren Haarnadeln vorbei: „Ja? Sie können Russisch?“
„ Ich liebe dich.“
„ Was?“ Annabelle stutzte, ließ die Arme sinken und sah ihn erschrocken an. Paul grinste.
Es klopfte.
Ohne ihm eine Chance zur Erklärung zu geben, öffnete Annabelle schnell die Tür.
„ Hier bin ich: Bestellt und geliefert wie versprochen!“
Paul trat einen Schritt zurück. Was machte sein Bruder denn hier?
„ Herr Falkenberg!“ Pause. „Kommen Sie doch herein.“
Friedrich trat ein, und als Annabelle die Haustür zu machte, konnte er seinen Bruder im Hausflur sehen und grinste breit.
„ Hallo Friedrich“, begrüßte Paul seinen jüngeren Bruder. Selbstverständlich war der wieder in seiner Uniform unterwegs. Immer schneidig, immer auffällig.
„ Was willst du hier? Und wer hat dich bestellt?“ Paul verstand die Welt nicht mehr. Es ärgerte ihn maßlos, dass sein Bruder hier war. Friedrich musste sich überall einmischen!
Friedrich lachte, und zeigte auf Annabelle, die ratlos zwischen den Brüdern stand. Wieder einmal fiel ihr auf, dass die beiden wenig gemeinsam hatten. Blond und braun, muskulös und schlank, charmant und zurückhaltend.
Paul sah sie an, Friedrich sah sie an.
„ Ich habe ihn nicht bestellt.“ Warum hatte sie das Gefühl, sie müsse sich verteidigen?
„ Wir haben eine Verabredung. Wollen Sie mich jetzt noch einmal abweisen?“ Friedrich grinste lausbübisch.
„ Nein! Ach, gehen wir doch ins kleine Zimmer.“ Annabelle hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Normalerweise würde jetzt Frau Barbara sagen, dass sie einen Kaffee servieren wollte, und dann würde sie sie in ihr Zimmer scheuchen, um sich umzuziehen.
„ Ich muss mich umziehen!“, brach es aus ihr heraus. „Nehmen Sie sich einen Likör, oder so.“ Sie wedelte hilflos mit der Hand in Richtung des Servierwagens mit Spirituosen.
Dann rannte in ihr Zimmer.
„ Was machst du hier?“, fragte Paul seinen Bruder noch einmal, nachdem er sich tatsächlich ein Glas mit irgendeiner braunen Flüssigkeit eingeschenkt hatte.
„ Sie ist süß, oder?“, grinste sein Bruder frech und warf sich in einen Sessel.
Paul trank entnervt einen großen Schluck. Mächtiger Fehler.
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