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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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wünschte sich, diese Diskussion beenden zu können.
    „ Ich weiß. Aber ich möchte dennoch nicht verantwortlich sein.“
    „ Du bist nicht für mich verantwortlich!“ Sie ereiferte sich richtig.
    „ Auch wenn du es abstreitest, du hast da keine Macht darüber! Es ist die Gesellschaft. Es gibt Regeln“, entgegnete Paul und ärgerte sich über seine eigenen Worte.
    „ Wo ist der Unterschied zwischen dem hier, und der Verabredung mit deinem Bruder?“
    Paul legte nun auch sein Besteck weg und sagte: „Nun, ich weiß ja, dass der Blumenstrauß von ihm war, und er hat dich sicher in ein exklusiveres Haus geführt. Hinterher ist er mit dir in der Öffentlichkeit spazieren gegangen. Das alles, nachdem er dich vor Zeugen formell eingeladen hat.“
    „ Ich verstehe nicht”, sagte Annabelle zweifelnd.
    „ Weißt du, was man stattdessen zu dem hier sagen könnte?“ Er machte eine Geste, die sie beide einschloss. „Ich nutze aus, dass du in einer Notlage bist, und biete mich als dein Retter an. Ich führe dich in ein verschwiegenes Restaurant, und wenn ich dich dann endgültig kompromittiert habe, dann bist du naiv und ich berechnend gewesen. Niemand wird etwas anderes denken.“
    „ Du willst mich also kompromittieren?“, fragte sie mit einer merkwürdigen Betonung.
    Paul sah sie an. Ein kleiner Muskel an ihrem Mund zuckte, dann erschienen ihre Grübchen, schließlich prustete sie los.
    „ Nicht lustig“, versuchte Paul mürrisch zu sein.
    „ Doch.“
    Jetzt musste er auch lachen. Annabelle nahm ihren Löffel, der noch von der Suppe übrig war, und aß ihr Gulasch mit ein paar Bissen restlos auf.
    „ Paul“, sagte sie dann. „Du machst dir zu viele Gedanken.“ Sie legte ihre Hand auf seine.
    „ Ich will halt nichts vermasseln.“ Er nahm ihre Hand vorsichtig.
    „ Ich werde morgen förmlich bei deinem Vater nachfragen, ob es in Ordnung ist, dass du mir bei der Klärung einiger persönlicher Dinge hilfst. Du kaufst mir Blumen, und wir schlendern die Allee hoch und runter, bis uns alle gesehen haben, oder wir erfroren sind. Und ich stelle dich Johanna vor. Das wird ein großer Spaß.“
    „ Nachtisch?“, fragte der Kellner.
    „ Auf jeden Fall“, sagte Annabelle.

Kapitel 6
     
    „ Ich will meinen Bruder sehen“, forderte Walter Hartmann.
    „ Da müssen Sie erst mit dem Arzt sprechen“, erwiderte die Empfangsdame.
    „ Dann melden Sie mich an.“ Walter setzte sich ungehalten im Eingangsbereich auf einen Stuhl. Der Sitz war kalt und ungepolstert. Hier gab es überhaupt nichts Schönes. Weiße Wände, grauer Linoleum Boden, dieser Stuhl und eine tickende Uhr an der Wand. Er hasste diesen Ort. Er hasst die lange Fahrt. Aber der Ort musste abgeschieden sein. Er hasste die vielen Kontrollen. Jeder dieser gesichtslosen Soldaten starrte ihn misstrauisch an, als wäre er nicht der auf dem Ausweisfoto. Einige verlangten sogar immer noch, dass er seinen Hut abnahm. Er musste mit Depuis reden, das war unerträglich. Schließlich bezahlte er das alles hier …
    War man im Gebäude, dann gab es so viele Türen. Aufschließen, abschließen. Kontrolle. Die nächste Tür. Aufschließen, abschließen. Es roch nach Kernseife und Blumenkohl. Warum immer nach Blumenkohl? Bekamen die hier nichts anderes zu essen? Er war am Anfang neugierig gewesen. Aber jetzt nicht mehr. Hier war die Endstation für Abartigkeiten, und er war nur froh, nicht selbst hier gelandet zu sein.
    Sie hatten seinen Bruder hier untergebracht, nachdem die Eltern gestorben waren. Katharina hatte die Idee gehabt, schließlich kostete es hier nichts. Das Reich zahlte für seine Opfer. Walter wusste, dass auch andere hier waren. Verdorbene. Die sich zu weit in den Æthernebel vorgewagt hatten, oder in den Fabriken ungeschützt arbeiteten. Es gab so viele Scheusale. Wenn er an die Möglichkeiten dachte ... Aber er war kein Forscher. Die hatten hier Ärzte. Ja, er kannte sie alle – er bezahlte sie schließlich. In verschiedenen Währungen: die einen mit Geld, die anderen mit Gefallen, die sie sich so nicht erlauben könnten. Alles ganz diskret selbstverständlich. Irgendwann würden sie es ihm zurückzahlen müssen. Wenn sein Plan endlich aufging und er alles in Gang setzen konnte.
    Deshalb ärgerte er sich nun auch, dass er warten musste. Das war unverschämt. Ärzte waren so unberechenbar. Sie konnten auf ihrem Fachgebiet arrogante Spezialisten sein; waren sie dagegen plötzlich einfach nur Menschen wurden sie oft von tiefen Schuldgefühlen

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