Aetherhertz
anfühlte, konnte nicht falsch sein!
Sie probierten das mit dem Küssen noch eine Weile aus, bis Frau Barbara sie unterbrach. Die Hausdame merkte zum Glück nicht, wie atemlos und derangiert ihr Schützling war. Sie freute sich über Paul, den sie sehr mochte, dann plapperte sie munter über all den Klatsch und Tratsch, den sie immer vom Markt mitbrachte.
Nachdem Annabelle sich noch einmal frisch gemacht hatte, zogen die beiden los.
„ Wir sollten erst zum Institut.“ Paul nickte und winkte einer Droschke.
Als beide in der Kabine saßen, gab es einen Moment Schweigen.
„ Ich glaube es einfach nicht“, sagte sie plötzlich.
„ Was denn?“, fragte Paul unsicher.
„ Ich weiß es endlich! Und ich habe selbst davon gegessen, und es nicht gemerkt.“
„ Naja, das stimmt ja so nicht. Du hast ja etwas bemerkt.“
„ Ja, ich habe geheult, wie alle im Raum. Und dann kam dein Bruder.“
Annabelle fiel wieder ein, warum sie die Begegnung mit Friedrich viel wichtiger gefunden hatte, als das Erlebnis mit der Praline: Sie hatte gelogen! Und das stand auch immer noch im Raum, denn Johanna könnte es verraten. Annabelle musste mit Johanna sprechen, bevor Sie und Paul aufeinandertrafen.
„ Friedrich hatte deine Blume erkannt“, erklärte sie auf eine nicht ausgesprochene Frage hin. Sie deutete auf die grüne Blume, die sie heute wieder trug.
„ Es hätte mich nicht überrascht, wenn er dich auch ohne Blume angesprochen hätte.“
Annabelle sah ihn an: „Das war ein Kompliment, oder?“
„ Sicher. Was sonst?“
„ Nun, ich weiß nicht. Du bist nicht so begeistert von deinem Bruder. Vielleicht bist du auch nicht so begeistert von seiner Damenwahl.“
Paul schüttelte den Kopf: „Mein Bruder hat einen ausgezeichneten Geschmack. Allerdings beschränkt er sich nur auf Äußerlichkeiten.“
„ Hatte dein Bruder schon viele Liebschaften?“, fragte Annabelle neugierig.
„ Das weiß ich nicht. Ich versuche, mich nicht dafür zu interessieren. Er erzählt viel, und ab und zu nötigt er mich zu einem »Herrenabend«. Dort prahlen dann ganz viele Junggesellen mit ihren Eroberungen. Sehr langweilig.“ Er machte ein grimmiges Gesicht und sie musste lachen.
„ Mit was prahlst du denn dann?“
„ Mit Nichts. Ich bin derjenige, über den man meist kollektiv spottet.“
„ Ab jetzt nicht mehr, oder?“
Paul sah sie an. „Ich würde nie mit dir prahlen“, sagte er ernst.
Annabelle lachte. „Warum denn nicht?“
Paul überlegte.
„ Für die anderen Männer ist es wie eine Jagd. Ein hoch ritualisiertes Geschehen, an dessen Ende eine Beute winkt. Am Besten eine Trophäe, die man sich zu Hause hinhängt, und dann ein Halali zur nächsten Jagd bläst. Aber du bist keine Beute, und wenn ich dich ausstopfen würde, dann wäre alles vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat.“
Das verstand Annabelle und es machte sie sehr glücklich, denn es entsprach genau ihrem Gefühl, das sie mit Friedrich eben nicht gehabt hatte: Das Gefühl, das eine Beziehung etwas Langes und Tiefes sein sollte. Sie hatte ihren Vater oft gefragt, warum er keine andere Frau gefunden hatte. Er hatte ihr erklärt, dass der Platz in seinem Herzen nicht groß genug wäre. „Da wohnst du drin, und die Erinnerung an deine Mutter“, hatte er gesagt. Sie hatte das eigentlich sehr traurig gefunden, aber dann war sie auch wieder zufrieden, denn es bedeutete für sie, dass sie uneingeschränkte Herrin im Hause und in seinem Herzen war.
Sie kuschelte sich an Paul, der den Arm um sie legte, und genoss den Moment.
* * *
Walter Hartmann verließ den Komplex zufrieden. Er hatte, was er brauchte. Unwillkürlich berührte seine Hand die Jackentasche, in der die Phiolen mit der unersetzlichen Zutat waren.
Er war erschöpft. Die Vorgänge waren immer sehr unerfreulich. Sein Bruder hatte sich lange gewehrt, aber Walter wusste all die kleinen Details, die ihn schließlich zusammenbrechen ließen. Ja, sie sorgten hier wirklich gut für Georg. Jetzt würden sie wieder von vorne anfangen müssen. Bis er das nächste Mal kam.
Eigentlich, dachte Walter, ist es nur gerecht. Wir haben so sehr unter ihm gelitten, als wir klein waren. Nun muss er eben leiden. Aber über das Stadium der Rechtfertigung für seine Taten war Walter Hartmann hinaus. Er akzeptierte die Vorgänge als unschönen Nebeneffekt seines rasanten Aufstiegs. Und er gedachte, noch höher zu kommen. Schließlich hatte er ja auch noch Katharina zu versorgen. Sie hatte keine Ahnung von
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