Aetherhertz
Kopf zu verdrehen, wie Sie es so schön nannten?“ Er ließ den Anwalt seinen Ärger spüren.
Peter Falkenberg schüttelte den Kopf.
„ Nein, ich habe es übertrieben dargestellt. Sicher, ich bin von Paul solchen Einsatz nicht gewohnt. Sonst interessiert er sich nur für Malereien oder Schräubchen. Glauben Sie mir, von Paul droht dem Fräulein keine Gefahr. Die Frau, die den mal haben will, die muss gebaut werden, oder gemalt, oder aus Bronze gegossen ...“
„ Reden Sie nicht so schlecht von Ihrem Sohn”, sagte Burger ärgerlich. “Der ist auf seinem Fachgebiet sehr angesehen. Sonst hätte ich nicht erlaubt, dass er die Katalogisierung der Sammlung übernimmt. Wie ich allerdings schon gesagt habe, liegt mir das Wohl des Fräuleins sehr am Herzen. Das bin ich ihrem Vater schuldig. Außerdem ist sie für mich wie mein eigenes Kind.“
„ Ich versichere Ihnen, auch mir liegt viel an Fräulein Rosenherz. Daher habe ich Paul auch streng ermahnt, gut auf sie aufzupassen.“
„ Ich werde mir ein Bild davon machen“, brummte Dr. Burger.
Peter Falkenberg entspannte sich. Er würde Paul noch einmal einschärfen, die Finger von dem Mädchen zu lassen. Aber eigentlich glaubte er nicht, dass es nötig wäre.
* * *
Paul war vergeblich bei der Konditorei Hartmann vorbei gefahren. Er war erstaunt über den Auflauf vor dem Geschäft. Es lungerten sehr viele Burschen herum, die wohl angestellt waren, sofort Bescheid zu geben, falls die Praline wieder verkauft wurde. Paul hatte einem von ihnen ein kleines Trinkgeld gegeben, daraufhin redete der Junge wie ein Wasserfall: “Ja, klar. Wenn es was gibt, dann sprinten wir los. Wer zuerst ankommt, wird gut belohnt. Ich hab einer Dame auch schon mal angeboten: Frau, habe ich gesagt, gib mir das Geld, ich kaufe es sofort und bringe es. Aber das wollte sie nicht. Eigene Schuld. Einige Damen warten selbst hier, bei schönem Wetter. Bei schlechtem Wetter fahren sie mehrmals täglich mit den Kutschen vorbei oder sitzen in der Konditorei und bestellen das andere Zeug, weil sie sonst nicht bleiben dürfen. Aber sie essen es nicht und verschenken es manchmal an uns.“
„ Sind es denn nur Damen?“
„ Nee. Die Herren kommen auch. Die meisten kaufen es aber für ihre Damen. Ich glaub, Männern schmeckt das nicht so.“
„ Hast du es denn schon einmal probiert?“
Der Junge schaute ihn entgeistert an. „Seh ich so aus, als ob ich mir das leisten könnte?“
„ Was kostet es denn?“
Der Junge nannte einen Preis und Paul glaubte erst, sich verhört zu haben. Davon konnte eine Familie einen Monat lang leben. „Für ein Dutzend?“
Der Junge lachte laut. „Für ein halbes Dutzend!“
Paul hatte eine Schachtel anderer Pralinen gekauft. Das hatte ihn aber nicht arm gemacht. Es erhärtete den Verdacht, dass die Praline »Herzblut« tatsächlich etwas Einzigartiges enthielt. Er hoffte allerdings, dass er Annabelle damit trotzdem eine Freude machen konnte. Seiner bisherigen Erfahrung nach liebte sie Süßes. Er sah sie gerne essen und dachte an den Honig heute Morgen ... Nein, diesen Gedanken verfolgte er besser nicht.
Er ging zu Fuß den Berg hoch zum Josefinenheim und genoss das schnelle Gehen. Die kühle Herbstluft klärte seinen Kopf. Er hatte mit 25 eigentlich noch kein Problem damit, eine Nacht nicht zu schlafen, aber er fühlte sich dennoch etwas aus seinem gewohnten Rhythmus geraten.
Was war es eigentlich, was ihn beschäftigte? Sollte er nicht euphorisch sein? Annabelle schien seine Gefühle zu erwidern, wo war sein Problem?
Das Leben war doch wie eine Straße, sinnierte er, im besten Falle hatte man einen Straßenplan und lief den kürzesten Weg zu seinem Ziel, falls man eines hatte. Oder man suchte sich den schönsten Weg aus, damit man es auch genießen konnte. Man sah nur ein wenig nach links und rechts und war beruhigt, wenn alles so kam, wie man es vorhergeplant hatte. Mit der Route, die einem seine Eltern vorgegeben hatten, und die man als braves Kind natürlich nicht infrage stellte.
Paul hatte auch einen Plan gehabt, und es war sein eigener gewesen. Er hatte sich gegen die Wünsche seines Vaters durchgesetzt und war nicht Anwalt geworden. Seine Karriere als Kunsthistoriker hatte vielversprechend angefangen, er brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Jetzt schien es aber, als ob aus seinem wohl ausgesuchten Weg ein Wirrwarr an Pfaden entsprungen wäre, die so nicht auf dem Plan zu erkennen gewesen waren. Keiner der Pfade schien ihm gangbar, oder bot
Weitere Kostenlose Bücher