Aetherhertz
du?“
„ Wir wollten dir anbieten, deine Gäste bei uns zu empfangen“, versuchte seine Mutter zu beschwichtigen.
„ Das wird nicht nötig sein, Mama.“
„ Widersprich deiner Mutter nicht“, sagte sein Vater scharf.
„ Papa, Mama, ich möchte nicht unhöflich sein. Ich danke für das Angebot. Aber ich werde Dr. Burger und Fräulein Rosenherz hier empfangen. Das hier ist mein Haus, und sie kommen mich besuchen. Sie kommen im Übrigen genau wegen der Dinge, die du so verachtest, Vater.“
„ Wie redest du denn mit mir? Und deiner Mutter?“
„ Ich möchte mich wirklich nicht streiten”, versuchte Paul die Wogen zu glätten.
„ Dann hör auf uns.“
„ Das ist doch so wichtig! Der erste Eindruck ist so wichtig!“ Seine Mutter wusste gar nicht, was sie damit sagte. Wie wenig Vertrauen sie damit ausdrückte.
Paul drehte sich um und ging zu einem Objekt, das im hinteren Teil des Raumes stand. Es war ein Baum aus silbernem Metall, an dem Blätter aus Messing hingen. Der Baum war teil einer Standuhr, die Paul umgebaut hatte. Er bewegte die Zeiger auf 12 Uhr und ein Leuchten breitete sich über die Äste aus. Plötzlich öffneten sich alle Blätter und enthüllten, dass sie in Wirklichkeit bunte Schmetterlinge waren, die sich in einer wirbelnden Wolke erhoben und durch den Raum flatterten. Ihre farbigen Flügel brachen das Licht so, dass kaleidoskopartige Reflexe an den Wänden entlang flirrten. Nach und nach ließen sie sich dann wieder auf dem Baum nieder, falteten ihre Flügel zusammen und schienen schließlich nichts als Blätter aus Messing.
„ Ach Paul!“, rief seine Mutter entzückt aus. Er ging zu ihr und legte ihr die Hand auf den Arm.
„ Ich glaube, ich brauche nichts zu verstecken, Mutter“, sagte er sanft. Margarethe Falkenberg nickte und sah ihren Mann an.
„ Na dann“, brummte dieser ungehalten und drehte sich weg. „Viel Erfolg.“
* * *
Spät am Abend, nachdem Paul seinen Gästen sein Haus und seine Maschinchen gezeigt hatte, war Burger restlos begeistert. Er erkannte, dass der junge Falkenberg ein Mensch mit vielen Schichten war. Seine Projekte waren in ihrer Kunstfertigkeit faszinierend. Er arbeitete nicht nur mit Metall, sondern auch mit Emaille, hatte dafür extra einen kleinen Brennofen, er verstand sich sogar auf die komplizierte plique-à-jour Technik des Emaillierens, die besonders farbenprächtige Ergebnisse hervorbringt, dass das Licht durch sie hindurchscheint.
Die physikalischen Grundlagen, die zur Konstruktion solcher beweglicher Miniaturgeschöpfe nötig waren, überstiegen Karls Kenntnisse, aber der junge Mann jonglierte mühelos mit Begriffen und Theorien über die weitere Nutzung von Æther.
„ Ich will Dinge schaffen, die nützlich und schön sind. Ich glaube, dass es nötig ist, eine ästhetische Umgebung zu haben. Kunst und Notwendigkeit sollen sich vereinen und die Form der Dinge sollte sich an der Natur orientieren.“ Sie saßen an einem Tisch, der mit den Resten des Essens bedeckt war: verschiedene Käse, Schwarzwälder Schinken und andere Wurstspezialitäten, Brot und Walnüsse.
„ Haben Sie schon einmal die Schöpfungen von René Lalique gesehen?“, fragte Burger und zündete sich eine Zigarette an.
„ Ja!“, sagte Paul begeistert. „Er ist ein Künstler, ein Meister. Wie gerne würde ich Einiges von ihm lernen.“
„ Oh, ich glaube, Sie brauchen sich nicht vor ihm zu verstecken.“
Paul fuhr sich erregt durch die Haare. „Ich träume aber von anderem! Ich möchte nicht nur Schönheit schaffen – ich glaube, wir brauchen mehr. Wir brauchen vor allem ein Verständnis für die Natur. Wir müssen tiefer in ihre Geheimnisse eindringen. Es zeigt sich doch jetzt an unseren Problemen mit Æther. Wir verwenden etwas, das wir nicht wirklich verstehen.“
„ So ist der Mensch: Er macht sich die Welt untertan.“
„ Aber versteht das Tier die Natur?“, fragte Annabelle und spießte ein Stück Käse von der fast leeren Platte auf. „Ist es nicht das, was uns von Tieren unterscheidet, dass wir verstehen könnten? Die meisten machen sich nur keine Mühe.“
„ Und was machen wir mit unserem Wissen? Wir erschaffen als Erstes Waffen“, sagte Paul.
„ Das ist die Triebfeder“, nickte Dr. Burger. „Der Mensch an sich ist ein schlechtes Konzept. Er ist nicht besonders schnell, nicht wirklich stark und erstaunlich anfällig für Krankheiten. Sein Geruchssinn ist minderwertig und auch unsere Augen werden von einigen Tieren
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