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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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wieder kommen, hm?«
    »Schlafentzug«, hatte der Stiernackige sich auf das Stichwort gestürzt und zu einer neuerlichen Gruselgeschichte ausgeholt, aber Jewgenijs drohender Blick hatte ihn verstummen lassen. »Eine Runde schlafen. Gute Idee«, hatte er gemurmelt und den Kopf an die schaukelnde Wand des Wagens gelehnt.
    Bis auf einen verließen die Wärter den Raum, die Tür wurde verriegelt.
    »Wasserfolter«, wiederholte der stiernackige Ivo genüsslich und starrte dabei den Kleinen an, der schon wieder zu zittern begonnen hatte.
    »Warst schon einmal im Tröpferlbad, in der Badeanstalt?«, fragte Jewgenij, ohne den Kleinen anzusehen. »Ist nichts anderes hier.«
    Der Wärter drückte ihm ein Stück Kernseife in die Hand. »Einseifen, durchreichen«, sagte er knapp und zog sich wieder an die Wand zurück. Dann drehte er das Wasser auf. Es kam aus großen Köpfen an der Decke und war kalt.
    »Vergiss die Kronjuwelen nicht, Knochenbrecher«, sagte der schweigsame Vierte, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte, während ihm das Wasser in die Augen lief.
    Jewgenij lachte und warf ihm die Seife zu. Er rubbelte sich mit den Händen ab und ließ den spärlichen Schaum vom eisigen Wasser abspülen. Seine Haut brannte vor Kälte, aber er fror nicht. Einen flüchtigen Moment lang dachte er an Katya, an ihr Gesicht hinter der Fensterscheibe. Sie hatte sich so bemüht, ihm zuzulächeln, Zuversicht auszustrahlen, aber ihre Augen waren groß, dunkel und traurig gewesen. Wie lange würde er hier durchhalten müssen, bis er sie wiedersah? Ein halbes Jahr? Ein ganzes? Länger? Und was würde mit ihm geschehen?
    Er schlang die Arme um den Brustkorb und blickte auf seine Füße nieder. Als Erstes musste er versuchen, Kontakt mit Katyas V-Mann, dem Hilfswärter, aufzunehmen. Johannsen war seine einzige Verbindung zur Außenwelt – zur Freiheit.
    Der Wärter drehte das Wasser ab und schlug mit der Faust zweimal gegen die Tür. »Raus mit euch«, sagte er, als die Tür aufging.
    »Dürfen wir uns nicht abtrocknen?«, fragte der Kleine, der vor Kälte mit den Zähnen klapperte. Seine Haut war bläulich angelaufen und eine Gänsehaut überzog seinen mageren Körper.
    »Schnauze«, erwiderte der Wärter sachlich. »Abmarsch.«
    Sie patschten nacheinander auf nassen, nackten Füßen durch die Tür und einen ebenfalls gefliesten Gang, bis ihr Wärter ihnen zu halten befahl.
    Dann bekam jeder einen Stapel ordentlich gefalteter graublauer Kleidungsstücke in den Arm gedrückt, auf dem jeweils ein Paar Stoffschuhe thronte. Sie traten durch eine Tür in einen Raum mit Spinden und Bänken an den Wänden. »Anziehen, dann werdet ihr dem Arzt vorgeführt«, sagte der gelangweilt in seinen Zähnen stochernde Wärter. Er lehnte sich gegen die Tür, steckte die Hände in die Taschen und beobachtete die Gefangenen unter gesenkten Lidern. Jewgenij fing den Blick auf und entschied, diesem Mann lieber nicht in die Quere zu kommen. Sein Ausdruck hatte etwas Tückisches.
    Sie zogen sich schweigend an. Die Kleider – ein kittelartiges Hemd und eine zu kurze Hose – klebten Jewgenij unangenehm am Leib. Er zog das Hemd, das ihm ein Stück zu klein war, über seinen Kopf und seufzte. Der Wärter beäugte ihn mit einem schmalen Lächeln. »Stehst gut im Futter, Knochenbrecher, hm?«, sagte er. »Ich fürchte, wir haben nichts Passendes für ein Trumm wie dich auf Lager.«
    Jewgenij nickte nur. Er war überzeugt davon, dass hinter der Auswahl der Kleidungsstücke Schikane steckte.
    Der Wärter stieß sich mit den Schultern von der Wand ab und zog die Tür auf. »Hier geht es raus. Willkommen im Tollhaus, ihr Idioten.«
    Der Stiernackige murmelte »Arschloch«, aber so leise, dass der Wärter es nicht hören konnte. Er warf Jewgenij einen Seitenblick zu. »Das ist Hader. Nimm dich vor ihm in Acht, Baldo.«
    Jewgenij nickte nur. Die Warnung war nicht nötig.
    »Schnauze halten. Ihr redet nur, wenn ihr gefragt werdet«, ließ der Wärter sich vernehmen. Er fummelte einen riesigen Schlüsselbund von seinem Gürtel ab und öffnete eine schwere Eisentür. »Weiter!«
    Die Tür schlug hallend hinter ihnen zu. Ein kühler Luftzug fuhr durch den Korridor. Jewgenij schauderte, aber nicht wegen der Kälte. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.

    Sie wurden getrennt. Mit einem Hauch des Bedauerns, der ihn selbst überraschte, sah Jewgenij den stiernackigen Ivo in Obhut eines zweiten Wärters weiter den Gang hinunterschlurfen, während er selbst vor einer Tür

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