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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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letzten beiden, beinahe gleich groß und von ähnlich kräftiger Statur, schienen miteinander zu reden, warfen sich grobe Bemerkungen zu. Ein Wärter bellte einen Befehl, der von dem letzten Mann in der Schlange mit einer obszönen Geste seiner gefesselten Hände beantwortet wurde. Die beiden lachten laut und roh.
    »Er spielt seine Rolle gut«, sagte Samuel.
    Katalin nickte, ohne den Blick abzuwenden. »Zu gut«, erwiderte sie. Sie hielt den Atem an und lehnte sich näher an die Scheibe. Der letzte Gefangene stand noch als Einziger im Hof, während seine Vorderleute sich unter lautem Murren und Fluchen in das Fahrzeug quetschten, und ließ scheinbar absichtslos seine Blicke an der Fassade emporwandern. Katalin fing den Blick auf und legte die Hand gegen die Fensterscheibe, als wollte sie sich abstützen.
    Der Mann legte den kurz geschorenen Kopf in den Nacken und schmetterte aus voller Kehle: »Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind!«, was von den Männern im Kraftwagen und dem bewaffneten Wärter mit lauten Zwischenrufen unterbrochen wurde: »Halt deine Fresse!«, »Was soll das Katzengeschrei?«, »Stopft dem Kerl bloß das Maul!«
    Er blinzelte grinsend zu Katalin hinauf. Der Wärter packte seine Schulter, riss ihn herum, stieß ihn grob zum Wagen und schob ihn hinein.
    »Der Wotan liegt zu hoch für seine Stimme«, kommentierte Katalin scheinbar nüchtern und ließ ihre Zigarette fallen. »Verdammt«, setzte sie leiser hinzu und wischte sich ungeduldig mit dem Handrücken über die Stirn und Augenbrauen, als hätte sich dort ein kitzelndes Haar verfangen.
    Die Wagentüren knallten zu, das Tor wurde geöffnet und der Kraftwagen rumpelte knatternd auf die Straße hinaus.
    Katalin Nagy blieb noch eine Weile am Fenster stehen, rauchte und starrte das geschlossene Tor an, ehe sie sich umwandte und ihren Gastgeber anlächelte. »Da geht er hin«, sagte sie.
    Der Staatsanwalt nickte mitfühlend. »Ich darf ja nicht fragen, was die Vierte Abteilung mit dieser Aktion bezweckt«, sagte er, »Ihre Kaiserliche Majestät hat mir klare Anweisungen gegeben, mich blind, taub und dumm zu stellen. Aber …« Er ließ den Satz in der Schwebe enden und sah Katalin hoffnungsvoll an.
    Sie schüttelte langsam und nachdrücklich den Kopf. »Du weißt, dass ich dir in jeder Hinsicht vertraue, Samuel. Aber in dieser Sache riskiere ich nicht meine Haut, sondern die meines Kommissärs. Sei mir nicht gram, dass ich nicht mehr sagen darf – ich will ihn nicht durch eine Nachlässigkeit noch mehr gefährden, als er es ohnehin schon ist.«
    Der Staatsanwalt nickte. »Ich verstehe«, sagte er. »Vergib mir die geschwätzige Neugier eines alten Mannes.«
    Katalin lachte und wandte sich mit einer entschiedenen Bewegung vom Fenster ab. »Lad mich zu einem Einspänner ein. Beim Demel. Ich brauche jetzt eine seelische Stärkung.« Sie drehte sich zum Spiegel und setzte ihren breitkrempigen Hut auf. Der Staatsanwalt betrachtete ihre schlanke Figur in dem strengen grauen Kostüm mit deutlichem Wohlgefallen, während er selbst seinen Paletot überzog und ihren Mantel vom Haken nahm, in den er ihr sodann hineinhalf. Sie duldete seine Galanterie mit einem ironischen Lächeln und steckte ihr Zigarettenetui griffbereit in die Manteltasche.
    Samuel fuhr sich noch einmal mit einem prüfenden Blick in den Spiegel über das akkurat gescheitelte Haar, dann nahm er seinen Gehstock zur Hand und deutete zur Tür. »Gehen wir, Verehrteste.«

    Sie wurden entkleidet und danach von kräftigen Wärtern in einen gefliesten Raum begleitet. Dort nahm man ihnen die Handfesseln ab.
    »Eh, Baldo«, rief der Stiernackige, neben dem er schon auf dem Transport angekettet gewesen war. »Halt dir Nase und Mund zu. Jetzt kommt die Wasserfolter.« Er hatte auf dem ganzen Weg Schauermärchen über den Ort erzählt, an den sie gebracht wurden. Er war schon einmal hier eingewiesen worden, aber dieses Mal würden sie ihn schwerlich wieder hinauslassen. »Keiner fährt öfter als zweimal ein«, hatte er geknurrt. »Verflucht sei der Richter und zur Hölle mit dem Staatsanwalt!« Dann hatte er sich lang und breit über all die Quälereien ausgelassen, die auf sie warteten. Jewgenij hatte beobachtet, wie der Kleinste der Gruppe, der still in eine Ecke gedrückt saß, immer blasser wurde und zu zittern begann.
    »Halt die Schnauze, Ivo«, hatte er gesagt. »Ich kann dein Gesabbel nicht mehr hören. Will eine Runde schlafen.« Er hatte trocken gelacht. »Weiß der Geier, wann wir dazu

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