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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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warten musste. Dann wurde er in ein großes, helles Arbeitszimmer geschoben. In einer Ecke des Zimmers stand eine Ottomane, daneben ein Lehnsessel und ein niedriger Tisch. An den Wänden waren Regale mit Büchern und Akten, in der Mitte stand ein großer Schreibtisch, an dem ein Mann mit weißem Spitzbart saß und schrieb.
    »Der Neuzugang, Herr Professor«, sagte der Wärter mit leiser und überaus höflicher Stimme.
    »Danke, Hader. Warten Sie draußen.« Der Weißhaarige blickte nicht auf.
    »Er ist gefährlich«, wandte der Wärter ein.
    »Warten Sie draußen. Danke.« Der Professor nickte Jewgenij zu. »Nehmen Sie Platz. Sie sind der als ›Knochenbrecher‹ bekannte Baldo Moroni, richtig?« Er schlug einen Aktenordner auf. »Sie haben vier Menschen getötet, um sich zu bereichern und sind zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Der Bericht sagt, dass Sie vor zwei Monaten einen Ihrer Mithäftlinge tätlich angegriffen und schwer verletzt haben und anschließend zwei Gefängniswärter krankenhausreif prügelten, ehe man Sie außer Gefecht setzen konnte.«
    Jewgenij nickte nachdenklich. Baldo Moroni war ein brutaler Totschläger gewesen. Zur Erleichterung aller Beteiligten war er im Laufe des besagten Vorfalls durch einen eingeschlagenen Schädel endgültig aus dem Verkehr gezogen worden.
    Der Arzt blickte auf und sah ihn starr an. »Ich habe nicht gehört, was Sie geantwortet haben.«
    »Hatten Sie mich denn etwas gefragt?«, erwiderte Jewgenij. Er setzte ein, wie er hoffte, unverschämtes und freches Grinsen auf.
    Der Arzt sah ihn weiter an. »Sie wissen, warum Sie hier sind«, sagte er. »Es wäre in Ihrem eigenen Interesse, wenn Sie Ihr renitentes Verhalten zugunsten einer kooperativeren Geisteshaltung aufgeben würden. In dieser Institution wurde schon vielen Menschen dazu verholfen, wieder ein Leben führen zu können, das weder sie selbst noch ihre Mitmenschen in Gefahr bringt.« Noch während er sprach, begann er erneut in Moronis Akte zu schreiben, dann sah er auf. »Was sagen Sie?«
    Jewgenij verschränkte die Arme vor der Brust und hörte die Nähte des Hemdes knacken. »Sie sind im Vorteil, Sie wissen eine Menge über mich. Aber wer sind Sie?« Er fixierte den Arzt. Der Beschreibung nach, die Katya ihm gegeben hatte, musste dies der Leiter des Hauses sein und der Vorsitzende der Akademie der Wissenschaften. Professor …
    »Charcot«, sagte der Arzt und legte den Federhalter beiseite. »Ich bin der Direktor der Kaiserlichen und Königlichen Landesirrenanstalt am Brünnlfeld, in der Sie sich nun befinden. Sie wurden hier eingewiesen, weil Ihr Verhalten das eines gemeingefährlichen Geisteskranken ist, und weil man Ihrer auf üblichem Wege nicht mehr Herr werden kann.« Er stand auf und ging zu dem vergitterten Fenster. Dort blieb er stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und blickte hinaus. Jewgenij erkannte mit Erstaunen, dass der nicht sehr große, nicht besonders kräftige, alles andere als junge Professor Charcot nicht einen Funken Angst vor einem bärenstarken, jähzornigen und gewalttätigen Schwerverbrecher zu haben schien.
    »Was denken Sie, soll nun mit Ihnen geschehen?«, fragte Charcot, ohne sich umzuwenden.
    Jewgenij räusperte sich rau. »Sie werden mich einsperren«, erwiderte er. »Ich habe von Zwangsmaßnahmen gehört. Zellen mit gepolsterten Wänden, Zwangsjacken. Man wird mich an ein Bett fesseln und mit allen möglichen Dingen traktieren.« Gut, dass er dem stiernackigen Ivo zugehört hatte. »Da gibt es die Zappelbehandlung und die Wasserfolter und wenn ich Pech hab, krieg ich die Brille verpasst.«
    Die Schultern des Arztes versteiften sich. »So«, sagte er, und in seinen Worten schwang eine Mischung aus Erheiterung und Ärger mit, »Sie haben sich anscheinend umfassend über unsere modernen Behandlungsmethoden informiert.«
    »Einer meiner Kumpel war schon mal hier«, antwortete Jewgenij.
    Charcot wandte sich um. Er nahm seine Brille ab und hauchte gegen die Gläser, um sie sodann am Ärmel seines grauen Jacketts zu polieren. Seine Augen erschienen ohne die schützenden Gläser scharf und kalt und sein Blick war alles andere als verschwommen. »Sie meinen Ivo Branković. Ja, er war schon einmal als Patient hier, und wir haben gehofft, dass er es schafft, in der Welt draußen Fuß zu fassen. Nun ist er erneut hier eingewiesen worden und ich fürchte, dass wir ihm eine ständige Heimstatt werden bieten müssen.« Er verzog leicht den Mund. »Der Platz wird langsam

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