Aethermagie
hast ein verpfuschtes Leben hinter dir, aber am Ende bewirkst du noch was Gutes.«
»Grünwald«, rief weiter hinten ein Mann ungeduldig. »Wo bleiben Sie?«
Der Wärter beschleunigte seine Schritte. Weiter vorne im Gang hatte sich eine Tür geöffnet, der vollbärtige Arzt blickte aus dem Zimmer und zog, als er sie sah, den Kopf zurück.
»Halt den Mund, antworte nur auf seine Fragen«, sagte der Wärter leise.
Dann waren sie in dem Zimmer, das klein war und hell, in dem eine hochbeinige Liege stand, ein kleiner Tisch mit Instrumenten, ein Kasten auf Rädern, dessen Schalter und Anzeigen vor bläulicher Ætherenergie glühten.
»Bringen Sie ihn her, bereiten Sie ihn vor«, rief der Arzt, ohne sich umzuwenden. Er stand vor einem schmalen Schränkchen an der Wand und hantierte darin herum. »Wie hat er die gestrige Behandlung überstanden?«
»Er erinnert sich nicht daran«, erwiderte Grünwald und gab Jewgenij mit den Augen ein Zeichen, sich auf die Liege zu setzen. »Zieh das Hemd aus, 329«, sagte er und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Keine Angst, es wird nicht …«
»Schwatzen Sie nicht, tun Sie Ihre Arbeit«, fuhr der Arzt scharf dazwischen. »Ich möchte, dass Sie ihn fixieren. Und dann holen Sie 415, sie wartet nebenan.«
Der Wärter nickte. »Leg dich hin«, sagte er zu Jewgenij. »Ich schnall dich fest. Du kennst das.« Er drückte Jewgenij mit seiner großen Hand auf die Liege und zog einen breiten Lederriemen um seine Brust. Jewgenij schnappte nach Luft und einen Moment lang überkam ihn Panik, die er niederkämpfte.
»Ganz ruhig«, murmelte der Wärter. Er zurrte die Riemen um Jewgenijs Knöchel und Oberschenkel fest und zog dann die Riemen um seine Handgelenke und Bizeps durch die Schlaufen am Tisch. »Du wirst das leicht überstehen.« Einen Moment lang berührte seine Hand Jewgenijs Stirn, dann ging er hinaus.
Jewgenij biss die Zähne zusammen und sah den Arzt an. Der drehte sich um, eine mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllte Spritze in den Händen. »Die ist nicht für dich bestimmt, 329«, sagte er, als er Jewgenijs Starren bemerkte. Er musterte seinen ausgestreckten Körper. »Du bist gut in Form, das ist schön. Probanden wie dich bekommen wir viel zu selten herein.« Er legte das Instrument auf den kleinen Tisch und nahm einen schmalen Lederriemen auf, dessen Innenseite silbrig glänzte. »Kopf hoch«, befahl er und legte den Riemen um Jewgenijs Stirn. Dann befestigte er eine Reihe von Kupferdrähten daran.
Er trat zurück, begutachtete sein Werk und nahm eine Reihe von kupfernen Münzen von einem Teller. Die schob er unter Jewgenijs Brustgurt und befestigte auch daran ein halbes Dutzend Drähte.
Der Wärter kehrte zurück und trieb mit sachten Stößen und gemurmelten Kommandos eine magere, zerrupft aussehende ältere Frau vor sich her, die in einer Zwangsjacke steckte. Sie lächelte und nickte dem Arzt zu. »Guten Morgen, mein lieber Zsigmond.« Ihre Stimme war klangvoll und besaß Autorität. Sie erinnerte Jewgenij an eine russische Großfürstin, die er in Sankt Petersburg kennengelernt hatte. Das war im Jahr … sie hatte eine Tochter … Ihr Name war …
»Guten Morgen, gnädige Frau«, erwiderte der Arzt. »Haben Sie gut geschlafen?«
»Wunderbar, wie ein Säugling, danke, mein Lieber«, erwiderte die Frau hoheitsvoll und ließ sich unaufgefordert auf einem Schemel nieder. Sie warf einen Blick auf Jewgenij und verzog die Lippen. »Wer ist dieses Subjekt?«
»Ein unbotmäßiger Diener«, sagte der Arzt. »Er muss bestraft werden.«
Die Frau hob die Brauen. »Wegen solch einer Lappalie bemüht man mich?« Sie seufzte und schüttelte mit matter Erheiterung den Kopf. »Aber da ich nun einmal hier bin …« Sie sah den Arzt auffordernd an. »Sie müssten mir allerdings diese Jacke abnehmen, Zsigmond.«
»Das müsste ich, gnädige Frau.« Er gab Grünwald ein Zeichen. Der Wärter öffnete die Schnallen der Jacke und zog sie von den mageren Schultern der Frau.
»Ihr Diadem, gnädige Frau«, sagte der Arzt und reichte ihr ein Lederband mit Drähten, die ebenfalls zu dem blau glühenden Kasten liefen. Sie legte den Riemen mit geübten Griffen um und lächelte huldvoll. Jewgenij bemerkte jetzt erst, dass ihr sämtliche Zähne fehlten. Sie trat an die Liege heran, auf der er festgeschnallt lag, und blickte auf ihn hinab. »Er hat sich unbotmäßig gezeigt, hat man mir zugetragen?«, fragte sie streng. »Steh Er auf, wenn ich mit Ihm rede!«
Jewgenij öffnete den
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