Aethermagie
»Ich habe den Obersthofmeister um eine Sonderaudienz gebeten und erwarte in den nächsten Minuten seine Antwort, Exzellenz.«
Kato wechselte einen Blick mit ihrer Begleiterin. Mizzi nahm leise die Maske ab und legte warnend den Finger auf die Lippen. Kato sah sie jetzt zum ersten Mal ohne ihre Maskierung. Mizzi hatte ein energisches, schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer langen Nase und einem vollen Mund. Ihr Gesicht trug einen willensstarken, durchaus ein wenig hochmütigen Ausdruck, der die Verkleidung als Kammermädchen Lügen strafte. Kato runzelte die Stirn. Das Mädchen erinnerte sie an jemanden.
Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder von dem belauschten Gespräch angezogen. Draußen ging es darum, dass ein nicht namentlich genannter Kammerherr einer Sache zugeneigt und deshalb willens sei, für einen ebenfalls ungenannten Jemand ein Wort einzulegen. Kato begann sich zu langweilen, aber sie sah, wie gebannt Mizzi der Unterhaltung lauschte. Ihre Augen waren groß und dunkel vor Konzentration und einem Ausdruck, den Kato nur schwer deuten konnte. Ärger?
Mizzi fing ihren Blick auf und deutete auf ein Detail an der Wand. Kato trat näher heran und sah, dass es sich um eine kleine, mit Scharnieren befestigte Klappe handelte. Sie hob fragend die Augenbrauen.
Mizzi griff an ihr vorbei und hob die Klappe an. Licht fiel durch ein kleines Guckloch in ihr Gelass. Kato schnappte nach Luft und beugte sich vor, um ein Auge an das Loch zu pressen. Sie brauchte einen Moment, um klar sehen zu können, dann erblickte sie zwei Männer, die sich an dem kleinen Tisch gegenübersaßen. Einer von ihnen trug die Vermummung der venezischen Gesandten, der andere war als Landsknecht verkleidet.
Kato schluckte einen Ausruf des Erstaunens hinunter und bedeutete Mizzi, sie möge ebenfalls durch das Spionauge schauen.
Das Gespräch der beiden Männer drehte sich nun um Dinge wie das Vorgehen des Militärs gegen marodierende Banden in Transleithanien und die Frage der Bewaffnung eines Sonderkommandos. Die Kaiserliche Akademie war anscheinend gerade mit der Entwicklung einer besonderen Geheimwaffe betraut worden, und die Ergebnisse dieser Entwicklungsarbeit schienen den venezischen Gesandten ganz besonders zu interessieren. »Ist es richtig, dass Ihre Wissenschaftler daran arbeiten, nahezu unverwundbare und übermenschlich starke Soldaten zu züchten?«, hörte Kato ihn fragen.
Sein Gegenüber wich der Frage geschickt aus. Ja, man arbeite daran, die kaiserlichen Truppen durch besonders ausgerüstete Eliteeinheiten zu verstärken. Die Kaiserliche Akademie habe zu diesem Zweck auch einige Probanden rekrutiert, die sich Experimenten unterzögen, welche die Verbesserung des organischen Materials und der geistigen Kapazitäten des einzelnen Soldaten zum Ziel hätten. Dies alles stehe aber unter der höchsten Geheimhaltungsstufe und befinde sich zudem noch in einem Stadium, das keine zuverlässige Prognose erlaube. Viel wichtiger sei doch die kurz vor dem Abschluss befindliche Entwicklung des neuen Fluggerätes, zu dessen Vorführung die Gesandten der Serenissima in die Kaiserstadt gereist seien.
Das Gespräch wandte sich nun wieder technischen Details zu. Kato sah, wie Mizzi das Gesicht verzog. Sie legte vorsichtig wieder die Klappe vor das Loch, nahm den Kerzenleuchter auf und deutete an Kato vorbei. Kato drehte sich um und sah nun, dass sie sich nicht wie vermutet in einer abgeschlossenen Kammer befanden, sondern dass das Gelass sich in einen Gang öffnete.
Sie ließ Mizzi vorbei und folgte ihr dann durch den Geheimgang.
Endlich kamen sie an einer Tür an. Mizzi schob sie ohne Umstände auf, trat hindurch und winkte Kato, ihr zu folgen. »Hier sind wir sicher«, sagte das Mädchen und schloss die Tür, die in diesem Fall als Tapetentür zu erkennen war und gar nicht so geheimnisvoll wirkte.
Kato sah sich in dem Zimmer um, das ein ganz gewöhnliches, wenn auch exquisit ausgestattetes Schlafzimmer war, das mit seinem breiten Himmelbett und einem hübschen Schminktisch, pastellfarbenen Sesselchen und einem auf dem Bett liegenden zartblauen Überwurf offensichtlich einer Dame gehörte.
»Meine Herrin ist auf dem Ball«, erklärte Mizzi und warf ihre Katzenmaske achtlos auf den Schminktisch.
Kato lachte. »Das ist dein Zimmer«, sagte sie. Ihr Blick fiel auf ein Bild an der Wand. Die Frau, die es darstellte, war deutlich älter als Mizzi, aber sie hatte den gleichen durchdringenden Blick und die gleiche energische Anmutung.
Und
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