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Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Titel: Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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Bruder hat, lernt man Einiges.”
    Friedrich lachte. Alexandra wurde klar, dass sie zwar damit nicht auf ihn und Paul angespielt hatte, aber er dachte das sicher.
    „Ich habe noch nie eine Frau wie Sie getroffen”, sagte er nachdenklich.
    Das ließ sie unkommentiert und lächelte nur. Friedrich und Koch hatten heftig diskutiert und gestritten. Sie hatte aber gemerkt, dass Friedrich nicht so stur war, wie er tat. Er war ein Soldat, zufrieden damit, Befehle zu empfangen, und sich seine Freiheiten einteilen zu lassen. Sie wusste, dass es da Unterschiede gab: diejenigen, die unterscheiden konnten zwischen Dienst und eigenem Leben und denjenigen, die den Dienst zu ihrem Leben machten. Ihr Vater war unbegrenzt für den Zaren da gewesen und hätte jederzeit sein Leben für ihn geopfert. Friedrich war nicht mit Leib und Seele Soldat, sondern er grenzte ganz genau ab, wie viel von sich selbst er dem Dienst zur Verfügung stellte.
    Sie hatte auch bemerkt, dass er den Argumenten Kochs nicht emotionslos gegenüberstand. Die Schilderungen der Zustände in den Arbeitersiedlungen ließen niemanden kalt. Koch hatte aber Ziele und Methoden, die Friedrich nicht billigen konnte. Er hatte schließlich trotzdem zugestimmt, sich von Koch irgendwann einiges zeigen zu lassen.
    Er konnte ein großer Mann werden, dieser betrunkene Oberleutnant, der ihr gegenüber saß. Das machte ihn noch attraktiver, als er es schon war.
    „Können wir den Rest des Weges laufen?”, fragte Alexandra. Sie war noch nicht breit, diesen Abend enden zu lassen. Friedrich ließ den Kutscher anhalten und half ihr beim Aussteigen. Er bot ihr seinen Arm an, sie hakte sich unter und passte sich seinen Schritten an. Die Nacht war dunkel und frisch, außer ihnen war um diese Uhrzeit kaum jemand noch auf der Straße.
    „Erzählen Sie mir von Zuhause, von Russland”, bat er sie.
    Statt zu erzählen, sang sie leise ein Lied. Es war ein munteres, leichtes Lied, und ihre Schritte beschleunigten sich. Als sie fertig war, sagte sie: „Mit Begleitung ist es schöner.”
    „Es war wunderbar. Wovon handelte es?”
    „Von Katjuscha, die ein Lied für ihren Soldaten singt, der in der Ferne dient”, erklärte sie und übersetzte:
    „Die Apfel- und die Birnbäume erblühten,
    Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
    da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer,
    auf das hohe, steile Ufer.
     
    Sie ging hinaus und sang ein Lied
    über einen grauen Steppenadler,
    über den, den sie liebte,
    über den, dessen Briefe sie bewahrte.
    Das reicht”, sagte sie lächelnd. „Es geht aber noch weiter. Es ist ein Liebeslied. Wir Russen singen viel, wenn wir getrunken haben.”
    „Haben Sie eine Liebe in Russland?”, fragte er neugierig. Sie schüttelte den Kopf. Er sah zu ihr herunter, und sie stellte sich diesem Blick. Er hatte so blaue Augen! Er blieb stehen und drehte sich zu ihr. Sie sah weiter in seine Augen. Ihr war völlig klar, was er jetzt gleich tun würde, und sie hatte es so gewollt.
    Sein Gesicht war schon ganz nahe und sie schwankte. Sie waren nun ganz nah. Die Nacht war kühl, und ihr Atem machte kleine Wölkchen. Alkohol, Melancholie und Erotik waren eine potente Mischung, der sie beide nicht widerstehen konnten. Entschlossen fasste Friedrich sie fester um die Taille und küsste sie fordernd. Alexandra war überrascht von seiner Leidenschaft, die heiß und wogend über sie brandete. Einerseits war sie selbst bereit und genoss seine starken Arme und seine wissenden Lippen, andererseits schien es Friedrich um etwas anderes als reine Leidenschaft zu gehen. Sie atmeten schnell, als sie sich schließlich voneinander lösten. Alexandra legte eine Hand auf den Aufschlag seines Mantels, um ein wenig Abstand zu halten. Friedrichs Augen sahen sie forschend an, und sie fasste sich an die brennenden Lippen.
    „Das war …”, begann Alexandra unsicher, „… ein bisschen wie eine Eroberung.”
    Friedrich nickte stirnrunzelnd und ließ sie los. Sie trat schnell einen Schritt näher an ihn heran.
    „So habe ich das nicht gemeint”, sagte sie schnell. „Ich bin nur etwas überwältigt.”
    „Es tut mir leid, wenn ich zu heftig war”, sagte Friedrich, aber es lag etwas Düsteres in seiner Entschuldigung.
    „Ist es wegen Ihres Bruders?”, mutmaßte Alexandra.
    „Paul ...” Er berührte ihre Wange und in seinem Gesicht sah sie verschiedene Emotionen miteinander ringen – Unverständnis, aber auch Wut. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen, um dem Geruch an seinem Hals näher zu sein.

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