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Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Titel: Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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sie wollte weg: „Führ mich hin. Hast du Licht?”
    „Moment.” Die Puppe stand regungslos, aber irgendetwas geschah in ihr drin. Unter der Kleidung bewegte es sich, es sah aus, als ob Mäuse durch die Jacke wuseln würden. Schließlich griff der mechanische Mann in sein Hemd und zog eine kleine Laterne heraus. Er öffnete seinen Mund und verzog die Verschlussklappen. Es sollte ein Lächeln sein. Annabelle schauderte unterdrückt. Die Puppe drehte sich um und die Laterne flammte auf. Sie war sehr hell, und Annabelle bedeckte ihr Gesicht geblendet.
    „Etwas weniger Licht, bitte. Führ mich jetzt zur »Obersten Ordnung«.” Die Maschine ging los.
    Annabelle hatte einen Gedanken: „Wie heißt du?”
    Der mechanische Mann blieb mitten im Schritt stehen und sah sie an: „Christian Sebastian Rosenherz.”
    Annabelle schüttelte den Kopf: „Nein, so kannst du nicht heißen. Das geht nicht.” Sie überlegte. „Du sollst Hänsel heißen.”
    „Hänsel”, wiederholte der Mann.
    „Und ich bin Gretel, und du führst mich jetzt aus dem tiefen dunklen Wald.”
    Der mechanische Hänsel regte sich nicht.
    Annabelle seufzte: „Zur »Obersten Ordnung«, bitte.”
    Das verstand er und setzte sich in Bewegung.
     
    Sie kletterte in den Schacht und folgte ihm. Annabelle fragte sich, wer diese Tunnel wohl gebaut hatte, aber sie lauschte viel zu sehr nach hinten, auf einen verräterischen Ton, der ihr sagen würde, dass Valentin hinter ihr her war, um zu fragen.
    Je weiter sie liefen, umso deutlicher hörte sie ein merkwürdiges Geräusch. Erst kam es ihr vor wie ein Summen, aber je näher sie kamen, umso klarer unterschieden sich einzelne Töne und Laute. Es war alles sehr mechanisch und rhythmisch. Zu ihrem Entsetzen erblickte sie dann auf dem Boden einige Ætherfäden, die zäh um ihre Füße waberten, als sie hindurchliefen. Mit jedem Schritt wurde der Æthernebel dichter. Annabelle hob ihre Hand so hoch es ging, und überlegte, ob sie den Handschuh wieder anziehen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Der Handschuh bot zu wenig Schutz vor dem Æther, und sie ahnte, dass sie die Hand bald nutzen würde.
    Als der Æther knietief war, endete die Decke und sie befanden sich in einer Art Höhle, deren Wände schwarz und silbern glitzerten. Im Licht der Lampe des mechanischen Hänsel sah sie vor sich erst nur einen scheinbar strukturlosen Haufen Metallschrott. Ihr Blick wanderte den Haufen entlang, immer höher und höher. Es war wie in einem Schatzhort, nur das sich hier Zahnräder, Metallstangen, Schrauben und Spiralen statt Gold und Juwelen ergossen. Weiter hinten wuchs etwas in die Höhe, es war mattschwarz und nur an manchen Stellen glänzte es messing- oder silberfarben. Es war in stetiger Bewegung, da drehte sich was, da zog sich etwas auf, dort pumpte etwas, da klickten Zahnräder ineinander.
    Sie legte den Kopf in den Nacken, aber sie konnte die Decke nicht erkennen. Die Struktur wurde von einem Æthernebel umwabert, der ihr die Sicht auf die oberen Teile versperrte.
    „Ist das die »Oberste Ordnung«?”, fragte Annabelle überwältigt.
    „Ein Teil davon”, antwortete der mechanische Mann.
    „Woher kommt der Æther?”
    „Vom Fluss.”
    Sie sah sich um: „Es gibt einen Zugang? Zeig ihn mir.”
    Als sie sich auf den Haufen Metall zu bewegten, teilte sich dieser wie Wasser vor ihnen und machte einen Weg frei. Annabelle bückte sich und erkannte durch das Grün winzige Mechaniken, die sich auf unterschiedliche Arten fortbewegten. Sie sahen nicht aus wie irgendein Tier, sondern eher wie zufällig von einem Magneten angezogene Metallteile. Am ehesten könnte man sie mit bizarren Korallen vergleichen, die über die Jahrtausende aufeinander wucherten und wundersame Formen annahmen. Aber noch während sie Einige davon beobachtete, zerfielen diese und klickerten auf winzigen Füßen in den Haufen zurück.
    Sie dachte kurz an Paul, und wie sehr ihn das hier faszinieren würde. Kurz betrachtete sie den Otter und stellte fest, dass er sich enger als sonst um ihren Arm wand. Dann richtete sie sich auf und folgte Hänsel. Sie kamen in einen Teil der Höhle, der anders gemauert war. Dicke Sandsteinblöcke bildeten die Wände und Decke. Eine ummauerte Öffnung befand sich hier im Boden. Von hier aus zog ein stetiger Ætherstrom in Richtung des Metallhaufens – des Nests.
    Annabelle ging so nahe heran, wie sie sich traute, und hörte Wasser rauschen.
    „Da unten ist der Rhein?”
    „Ja.”
    Hier ging es nicht weiter.

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