Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
in den Achselhöhlen zu kitzeln.
„Erzähl bitte”, forderte sie und kämmte stattdessen ihre Haare mit den Fingern aus.
„Nun, es ist eine Geschichte von Göttern, die sich auf der Erde herumtreiben. Ich glaube, es waren Odin, Loki und Hönir. Sie waren unterwegs und brauchten etwas zu essen.”
Annabelle lachte: „Ich mag die Geschichten von denen, die sind nicht so abgehoben wie die griechischen Götter, oder erst die ägyptischen.”
„Hörst du mir jetzt zu, oder sollen wir lieber etwas anderes machen?”, fragte Paul und grinste anzüglich.
„Erzähl weiter”, sagte Annabelle. „Ich bin ja schon still.”
„Nun, jedenfalls erlegte Loki einen Fischotter. Es stellte sich heraus, dass der Otter der Sohn eines Bauern war.” Er hielt kurz inne und blinzelte. „Ein Wechselbalg, siehst du, auch damals schon … Aber erst einmal weiter im Text: Der Bauer forderte Wiedergutmachung. Nach alter Tradition sollten die Götter ihm den Balg des Otters mit Gold füllen und mit Gold ummanteln. Da Loki den Otter erlegt hatte, sollte er sich auch um die Beschaffung des Goldes kümmern. Loki fing den Zwerg Andvari, als der in seiner Hechtform nach Nahrung suchte, und zwang ihn, ihm sein Gold und einen magischen Ring zu geben. Der Ring hatte die Fähigkeit, den Schatz immer größer werden zu lassen. Andvari verfluchte den Ring aber.”
„Paul!”, unterbrach Annabelle ihn atemlos. „Hast du deshalb an meinen Armreif einen Otter gemacht, und dir einen Fisch?”
Paul grinste und schüttelte den Kopf: „Die Geschichte, die ich dabei im Kopf hatte, hat ihren Ursprung in den keltischen Mythen.”
„Also ist das alles nur Zufall?”
„Hör dir die Geschichte doch erst einmal zu Ende an”, sagte Paul. Er schloss die Augen und atmete tief durch. „Vielleicht ziehst du dir auch etwas an, du lenkst mich sehr ab.”
Annabelle schlüpfte in ihr Nachtgewand und hörte weiter zu.
„Also, der Zwerg verfluchte den Ring. Jeder, der ihn besitze, solle den Tod erleiden. Odin wollte ihn eigentlich behalten, aber das Gold des Schatzes reichte nicht aus, um den Otter vollständig zu bedecken. Also gab er dem Bauern den Ring. Der Fluch führte dazu, dass der Bauer seinen Schatz nicht teilen wollte, und seine Söhne ihn erschlugen. Danach erschlug der eine Sohn den anderen und suchte sich mit Ring und Schatz ein Versteck. Über die Jahre verwandelte sich schließlich in Fafnir und bewacht als Drache den Hort.”
„Dann war der Drache einmal ein Mörder”, sagte Annabelle nachdenklich. „Aber das macht klar, warum er mich Otterling nannte, und warum er dachte, ich würde seinen Hort vergrößern.”
Paul griff nach ihr und zog sie an sich: „Du bist einzig und allein dazu da, meinen Hort zu vergrößern.”
Dann küsste er sie lange.
Kapitel 14
Valentin spürte Schmerz, überall, unablässig, und unentrinnbar. Ein Teil seines Bewusstseins freute sich seltsamerweise darüber, er hatte sich so lange nicht gespürt, war so oft stumpf und leblos gewesen, aber er wusste auch, dass dieser Schmerz den Tod mit sich brachte. Er spürte sein Leben mit jeder Welle verebben und bedauerte es. Er hatte doch noch gar nicht richtig gelebt! Es schien ihm so ungerecht, so maßlos gemein, dass das Schicksal ihn hier mit zerschmetterten Knochen hilflos verbluten ließ. Allein. Wieder war niemand da, der seine Stirn kühlte, ihn streichelte und mit Küssen und Liedern die Dunkelheit erträglich machte.
Als er schon nur noch ein Wispern von der Außenwelt wahrnahm und die Schmerzen nachließen, weil sein Körper aufhörte zu funktionieren, geschah etwas Seltsames: Er hörte eine Stimme, ganz leise, lockend, rufend, beruhigend. Er wollte seinen Kopf drehen und sie suchen, aber er konnte nichts mehr, er war nur noch ein kleines Flämmchen Bewusstsein, welches ein Lied hörte. Die ganze Welt reduzierte sich auf diese Melodie und er wünschte sich, lächeln zu können …
Sein Herz pumpte kraftvoll und wild, es bäumte sich auf und der Druck erhöhte sich, er kämpfte um Verständnis, fand aber nur diesen Druck und gab ihm nach: Heftig sog er Luft ein, es war, als ob er vergessen hatte zu atmen, als ob er noch nie geatmet hätte. Er fühlte Energie durch seine Adern kreisen, vom Herzen zur Lunge, in die Arme, sie kribbelten, seine Beine zuckten. Er schlug die Augen auf und sah zunächst nur verschwommen, dann klarer. Er lag immer noch auf dem Boden und um ihn herum krabbelten und strömten winzige Maschinchen. Sein Gesicht
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