Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Kissen, darauf eine Hand. Sie war perfekt, glänzte leicht, ein Schimmern lief wie Wasser über sie, dann wurde sie matt und die Finger bewegten sich. Die Musik wurde lauter und eine Tür erschien. Annabelle griff vorsichtig nach der Hand und öffnete die Tür.
Aber was sie dahinter erblickte, ließ sie zögern: Es war ein rot glühendes Inferno, Flammen züngelten ihr entgegen, Hitze und der Geruch nach verbranntem Fleisch, Schreie und gelbgrüne Verzweiflung. Vor ihr bildeten sich blaue Trittsteine in die Flammenhölle hinein. Wo war die Musik? Sie lauschte und versuchte das Thema zu erkennen und summte die Töne mit. Die Musik wurde lauter, das Blau umfing sie wie ein Schutzschild, und als sie sich in Harmonie mit dem Thema fühlte, trat sie durch die Tür.
Hitze umfing sie, hüllte sie ein, raubte ihr den Atem, versengte ihr Haar, trocknete ihr den Mund und blendete sie. Sie konzentrierte sich nur auf den nächsten Stein und ging Schritt für Schritt immer tiefer in das rote Glühen. Sie konnte vor sich einen Ball aus roten, orangenen und grünen Fäden erkennen, einen Wirbel aus Farben, der so heiß war, dass sie glaubte, ihre Augen würden verbrennen. Es brauste in ihren Ohren, aber sie hörte die Musik und summte weiter, bis eine blaue Brise ihr das Atmen leichter machte. Sie legte die metallene Hand mitten in die Kugel aus strudelnden Farben, fühlte die Fäden gegen ihre Haut peitschen, rauer Stoff, schneidender Draht, klatschendes Leder. Sie griff danach und schlang die Stränge um das künstliche Glied herum. Sie zog und zerrte, und wo sie sie berührte, änderten sich die Farben von Rot zu Braun und von Gelb zu Blau. Nur die grünen Stränge konnte sie nicht ändern, sie schlüpften heiß und hart durch ihre Finger und sie spürte das Versprechen, die gefährliche Versuchung des Æthers. Also nutzte sie ihn, wand ihn immer wieder um die Hand und knotete ihn fest, verankerte ihn zu einem soliden Gespinst.
Es war anders als bisher, sie konnte es fast vollständig kontrollieren, sie fühlte sich ruhig und kompetent. Lag es an der Anwesenheit des mechanischen Mannes, an der Musik oder an Paul? Es wurde kühler, die Umgebung war kein Flammeninferno mehr, sondern glich nun einem frisch gepflügten Feld, einer Ahnung von Wachstum und Grün, von Reifung und Ernte. Vor ihr schwebte die neue Hand, umgeben vom grünen Æthergespinst, sicher und fest. Sie spürte keine Gefahr, sie konnte sich zurückziehen, gehen, die Türe schließen.
Sie drehte sich um und lauschte noch einen Moment lang der wunderbaren Musik. Aber sie war müde und ausgelaugt. Sie sollte gehen.
* * *
Paul beobachtete, wie Annabelle ihre Hand auf die des mechanischen Mannes legte und sie zusammen den Stumpf berührten. Der blaue Azurit leuchtete hell, Annabelles Fingerspitzen glühten und sie bewegte sie leicht über die Wunde. Kleine Lederfetzen fielen herunter und über die Hand des Professors rollten grausilberne Tröpfchen, die sich mit den Messingdrähten verbanden. Wie Ranken wuchsen die Drähte um den Arm seines Bruders, wanden sich und schufen ein Gerüst. Die grünen Fäden aus Annabelles Fingern waberten über den Stumpf und bildeten ein Kissen für kleine Zahnräder, die aus der Handfläche des mechanischen Mannes rollten, winzige Schrauben tropften herab, drehten sich sofort in entsprechende Löcher und verbanden sich über Streben mit anderen Konstruktionen.
Der Æther lötete Verbindungen und bewegte die Kolben in den Pumpen auf und nieder. Die Vorgänge wurden immer schneller, Pauls Augen vermochten ihnen nicht mehr zu folgen, alles wirbelte und surrte und schließlich schlossen sich wie ein umgekehrter Handschuh metallische Schuppen zu einer silbrig glänzenden Haut vom Handgelenk zu den Fingern.
Annabelle hatte die ganze Zeit seine Hand festgehalten, nun bemerkte er eine Lockerung des Griffes und konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen, als sie ohnmächtig wurde. Der Professor hatte auch nach ihr gegriffen, zog sich aber zurück, als er merkte, dass Paul sie sicher trug. Er sah sich um und legte Annabelle auf ein Sofa an der Wand. Sie war völlig erschöpft und schlief, die blauen Kristalle ihres Schmuckstücks leuchteten immer noch intensiv.
Paul ging zu seinem Bruder und sah ihm in die offenen Augen. Friedrich lag immer noch ganz still und sagte nichts.
„Ich glaube, sie sind fertig”, sagte Paul.
„Der Schmerz hat aufgehört.” Dieser Satz kam mit so viel Erleichterung. Alexandra, die die ganze Zeit seine
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