Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
flehend.
„Nichts lieber als das. Kannst du aufstehen.” Sie nickte und er half ihr auf. Er hörte ein Geräusch und sah sich um.
Rudolf Bader lag immer noch an der gleichen Stelle und rührte sich nicht. Paul vermutete, dass er bewusstlos oder gar tot war. Aber Valentin Bader war nicht tot. Er stand an dem Schaltkasten und betätigte wie wild einige Hebel und Knöpfe. Er sah sich kurz um und ihre Blicke begegneten sich. Es schien kaum möglich die Schrecklichkeiten dieses Tages noch zu übertreffen, aber der Anblick des weißen Knochens und der herunterhängenden Haut in Valentin Baders Gesicht war furchtbar. Es floss kein Blut, es schien aber, als ob sich quecksilberartig ein Film auf seiner Wunde verteilte und sie heilte. Paul erkannte diesen Prozess, es sah aus wie bei Friedrich, als sich seine Hand gebildet hatte. Valentin Bader musste auch Subeinheiten zu sich genommen haben.
„Du sollst sie auch nicht bekommen!”, schrie der junge Bader ihn an. Man hörte ihn kaum über das Lärmen seines Bootes, das auf den Wellen des Rheins schaukelnd zum stampfendem Leben erwachte.
„Geben Sie auf”, rief Paul. „Das hat doch keinen Sinn. Haben Sie nicht schon genug unschuldige Menschen getötet?”
„Ha, unschuldig! Unschuldig?” Valentin Bader lachte krächzend. „So wie Annabelle? Fragen Sie sie doch, wie unschuldig sie mich geküsst hat.”
Paul spürte diese Anschuldigung wie einen Pfeil in seiner Brust. Er wagte es kaum, aber er musste: Er forschte in Annabelles Gesicht nach einer Antwort, aber sie wich seinem Blick aus. Der Boden schien für einen Moment unter seinen Füßen zu verschwinden. Dann fing er sich und sagte: „Annabelle, sag mir die Wahrheit.”
Sie schluckte und stotterte: „Er hat – …, nein, es stimmt: Ich habe ihn geküsst. Für einen kurzen Moment war ich schwach. Aber es war nicht richtig, das weiß ich, und … bitte, Paul.”
Paul zog sie an sich und legte ihr den Finger auf den Mund: „Ich glaube dir.” Er sah in ihren Augen, wie viel ihr das bedeutete. Er schluckte schmerzhaft und sah dann den bleichen jungen Mann an.
„Ich hoffe”, sagte er, ”Sie bilden sich nicht allzu viel darauf ein. Das wird der einzige Kuss sein, den meine zukünftige Frau in ihrem Leben einem anderen Mann geschenkt hat.”
Valentins Gesicht verzerrte sich zu einer hasserfüllten Grimasse: „Dann werde ich jetzt dafür sorgen, dass dieses Leben nicht mehr allzu lang dauert.” Er drückte auf einen Knopf und eine gewaltige Explosion erschütterte das Schiff. Der Bug erblühte in einer gelbroten Blume und riss kreischend auf.
„Wir werden alle hier sterben! Dann wird es auch Ihr letzter Kuss gewesen sein.” Mit diesen Worten drückte er auf einen weiteren Knopf.
* * *
Annabelle klammerte sich an Paul fest und hatte Todesangst. Der Metallkoloss schwankte, die Ætherexplosion donnerte heiß, und sie bekam kaum noch Luft. Paul bewegte sich mit ihr zum nächsten Geländer, um sich festzuhalten. Die Plattform neigte sich gefährlich und Annabelle fühlte sich schon wegrutschen, als die nächste Explosion die Neigung in die andere Richtung brachte.
„Wir müssen etwas tun”, schrie sie Paul an, aber der war beschäftigt, sich festzuhalten. Der mechanische Professor krabbelte zu ihnen und sicherte sie mit stählernem Griff. Zu Annabelles Überraschung bewegte sich Rudolf Bader plötzlich, sie hatte ihn schon für tot gehalten. Er kroch auf Valentin zu, der sich selbst festklammerte und weiter Knöpfe drückte, griff nach seinem Fußknöchel und riss ihn von den Beinen.
„Hör auf!”, schrie er seinen Sohn an.
Valentin sah ihn wütend an und entriss ihm seinen Knöchel. „Wozu?”
„Wenn du jemanden töten willst, dann mich. Lass die anderen gehen.”
Valentin lachte und stand auf. „Du bist schon tot, Vater. Du bist tot, seit meine Mutter gestorben ist. Du hättest an deiner Krankheit sterben sollen, stattdessen musstest du Annabelle da mit hineinziehen. Aber ich glaube, jetzt bist du tot, du weißt es nur nicht. Bist du dir sicher, dass noch Blut durch deine Adern fließt? Durch meine jedenfalls nicht mehr.”
Rudolf Bader sah verwirrt aus. Er klammerte sich an die Reling und zog sich hoch. „Tu etwas, damit dieses Ding stehen bleibt und lass Annabelle gehen.”
„Ich denke ja nicht dran! Warum sollte ich das tun? Damit sie mit jemand anderem glücklich werden kann?”
„Gib uns Zeit, damit wir darüber reden können”, bat Rudolf Bader. „Ich erzähle dir auch von deiner
Weitere Kostenlose Bücher