Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
aufhörte und der mechanische Arm begann. „Aber er ist stärker als ein normaler Arm, wenn ich das will. Ich fühle mich überhaupt sehr viel gesünder und vitaler als vorher.” Das war wirklich erstaunlich, denn Friedrich war schon immer ein Athlet gewesen, der rannte, ritt und kletterte wie ein Besessener.
„Ich mache mir Sorgen.” Paul rieb sich die Stirn.
Friedrich trank einen Schluck und sagte dann leicht: „Über mich? Das ist nicht nötig. Pass du mal auf, dass dein Fräulein dir nicht wieder abhanden kommt.”
Paul hatte keine Lust, auf die Neckerei einzugehen: „Was, wenn die Subeinheiten dir nicht mehr gehorchen? Sie haben aus Valentin einen lebenden Toten gemacht.”
„Was wenn?”, sagte Friedrich scheinbar entspannt. „Wir können das jetzt nicht mehr ändern. Es ist geschehen und ich lebe damit. Solange du nicht singst.”
„Sehr witzig.”
Friedrich lachte: „Ja, finde ich auch. Was machen die Hochzeitsvorbereitungen?”
„Annabelle hat Mutter eingespannt.”
Friedrich räkelte sich vergnügt: „Ahhh, da wäre ich gerne dabei gewesen. Es gab sicher viele Tränen.”
Paul nickte: „Sturzbäche. Papa ist plötzlich »stolz« auf mich und Annabelle möchte, dass Johanna und Otto am gleichen Tag heiraten. Eine Doppelhochzeit.”
„Otto.” Friedrich schlug sich die Hand vor die Stirn.
Paul grinste. Da hatte er seinen Bruder einmal kalt erwischt. „Was ist mit dir und Alexandra?”
„Ich weiß es nicht.” Jetzt wurde Friedrich doch ernst. „Ich mag sie wirklich. Aber sie wird bald nach Hause fahren. Zumindest für einige Zeit. Ihr Vater stirbt und sie möchte dabei sein.”
„Willst du sie begleiten?”, fragte Paul.
Friedrich schüttelte den Kopf: „Ich bin ein Soldat, Paul. Ich kann nicht so einfach weg.”
„Ich mache mir Sorgen, dass das Militär deinen Arm zu spannend findet”, sagte Paul nach einer Pause. „Wenn die entsprechenden Stellen Wind davon bekommen, wäre es besser, du wärst nicht verfügbar, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Oder möchtest du ein Versuchskaninchen sein.”
Friedrich schauderte und fummelte nach seinen Zigaretten. Dann steckte er sie wieder weg.
„Sie mag nicht, wenn ich nach Rauch rieche”, sagte er auf Pauls fragenden Blick hin.
Paul lachte.
„Du hast es nötig”, schimpfte Friedrich.
„Ich freu mich”, sagte Paul ernsthaft.
„Glaubst du wirklich, es wäre möglich?”, fragte sein Bruder nach einer Pause.
„Dass du nach Russland gehst? Wir werden das mit Karl besprechen.”
„Schenk mir noch einen ein”, sagte Friedrich. Das tat Paul, und als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah, stellte er sein volles Glas neben sich.
Als er später danach griff, war es leer. Sein Bruder war gegangen, und er zerstreute die Kohlen im Kamin, bevor er selbst zu Bett ging.
* * *
Am Grund des Rheins gab es Strömungen, die das Flussbett glatt hobelten und solange an den Dingen zerrten, bis sie nachgaben oder verschwanden. Tausende Liter Wasser drückten und wirbelten unablässig über Steine, Pflanzen und seit einigen Tagen auch über den Metallkoloss, der sich im Sand eingegraben hatte.
Fische huschten durch die Metallstreben, die ersten winzigen Algen besiedelten die Mechaniken, die das Ungeheuer bewegt hatten. Muscheln klebten schon an geschützten Stellen und Krebse huschten in Öffnungen, um sie zu ihrem Zuhause zu machen.
Und die gleichen Fische, Algen, Krebse und Muscheln zersetzten nach und nach die Körper der beiden Männer, die nur wenige Meter voneinander entfernt lagen. Das mürbe Fleisch war schon verschwunden, die Knochen leuchteten weiß aus einem sie umgebenden filigranen Gewirr aus Metallfäden.
Zwischen den beiden lag ein dritter Körper, ganz aus Metall. In dessen Schädel suchte ein Flusskrebs nach Nahrung. Er krabbelte über die geschlossenen Augen und die Nase in den leicht geöffneten Mund. Als der Mund sich plötzlich schloss, wurde er knackend zerquetscht. Die Augen öffneten sich, auf silbernen Pupillen leuchtete es grün.
Silberne Finger krümmten sich in den Sand, Beine zuckten, er richtete sich auf. Die Strömung riss an ihm, er lehnte sich dagegen und griff nach einem Streben der metallenen Struktur, die sein Stolz gewesen war – was sollte dieses Ungetüm? –, die ihn triumphal zur Freiheit hatte tragen sollen – Freiheit? Es war undenkbar, das Werk zugrunde gehen zu lassen – , zu einem besseren Leben – was war ein besseres Leben? –, einem glücklichen Leben – es konnte ohne
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