Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
wunderbar zu dem Blau der Vorhänge”, stellte sie begeistert fest. Annabelle rollte die Augen, aber so etwas war Johanna wichtig.
Leider waren auch hier die Schlagläden geschlossen und Annabelle fühlte sich im Licht des Kronleuchters desorientiert, als wäre schon spät abends. Neugierig betrachtete sie die ausgestellten Sammlungen: Münzen und Kerzenleuchter; in einer anderen Vitrine standen Dinge, die wie kleine Reliquienbehälter aussahen. Es blitzte und blinkte alles kalt und leblos. Einige Uhren tickten die Zeit weg.
„Jemand mit Geschmack hat das hier eingerichtet”, sagte Johanna beeindruckt.
„Ich finde es steif”, murmelte Annabelle. „Und warum sind überall die Läden zu?” Johanna zuckte mit den Schultern und setzte sich geziert.
Annabelle wollte sich auch gerade setzen, als die Tür aufging. Ein blasser junger Mann schob einen Rollstuhl herein. Sie erschrak, als sie den Mann im Stuhl erkannte: Es war Rudolf Bader, aber er war nur noch ein Schatten seiner Selbst. Sie hatte ihn als einen großen und kantigen Mann in Erinnerung. Blond und vital. Eine markante Nase, prominente Augenbrauen und ein kräftiges Kinn in einem flächigen Gesicht. Breite Schultern, muskulös, aber nicht massig. Diese Gestalt hier hatte nichts mehr davon: Die Augen lagen tief in dunklen Höhlen, das schwarze Haar war schlohweiß und der ganze Körper abgemagert und zusammengesunken.
Sie hob unwillkürlich die Hand, um sie vor den Mund zu pressen, als sie abgelenkt wurde.
„Annabelle.” Das war Valentin! „Oder sollte ich lieber: 'Fräulein Rosenherz', sagen? Wir freuen uns sehr, dass du gekommen bist.” Er war eine echte Überraschung: all das Schlaksige und Unbeholfene hatte sich ausgefüllt. Er sah seinem Vater ähnlich, hatte breite Schultern und schmale Hüften, war nicht ganz so groß und kantig, wie es einst sein Vater war, aber das machte ihn nicht weniger attraktiv. Sein schwarzes Haar war ein wenig länger, sodass es die Ohren verdeckte. Er sah wirklich gut aus, vielleicht ein wenig zu blass. Seine dunklen Augen schienen wie Kohlenstücke im Schnee.
Annabelle war überrascht und freute sich wirklich. Als sie die verräterischen roten Ohrmuscheln aus den Haaren hervor lugen sah, lächelte sie breit und ging auf die Beiden zu. Sie begrüßte zuerst den Älteren, der ihre Hand mit überraschend festem Griff packte und sie zu sich herunter zog.
„Was bist du nur für ein hübsches junges Ding geworden”, flüsterte er heiser. „Schau mal einer an. Du siehst aus wie deine Mutter.” Dann hustete er schwach aber anhaltend. Annabelle lächelte und bedankte sich für das Kompliment. Sie sah zu Valentin hoch.
„Lass sie los, Vater”, sagte der ruhig und schob den Rollstuhl an den Tisch.
„Ich habe meine Freundin Johanna Winkler mitgebracht”, erklärte Annabelle.
„Wir freuen uns sehr”, sagte Rudolf Bader. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie nicht standesgemäß begrüßen kann, aber ...” Er hustete. Johanna erhob sich und machte vor Rudolf Bader artig einen winzigen Knicks. Annabelle grinste und sah, dass Valentin auch lächelte. Dann beeilte er sich, um Annabelle und Johanna den Stuhl zurecht zu schieben. Ein Diener brachte Tee und Gebäck.
„Wir freuen uns, dass ihr gekommen seid”, wiederholte Valentin förmlich, als alle ihre Tassen gefüllt bekommen hatten.
„Eure Einladung kam mir gerade recht. Ich brauchte dringend eine Luftveränderung”, gestand Annabelle.
„Wir wären gerne zu der Feier gekommen”, sagte Valentin, und meinte damit sicher die Trauerfeier, die sie anlässlich der formellen Todeserklärung ihres Vaters veranstaltet hatte. „Aber Vater ging es zu dem Zeitpunkt sehr schlecht.”
Rudolf Bader sah seinen Sohn streng an. Dann griff er wieder nach Annabelles Hand. Sie überließ sie ihm, es war zum Glück die Rechte. Er schien die Nähe zu brauchen.
„Wie geht es dir?”, fragte er.
Annabelle zögerte. Sollte sie eine ehrliche oder eine höfliche Antwort geben? ”Es ist nicht leicht”, fing sie an. „Ich muss lernen, ohne Papa zurechtzukommen. Zum Glück habe ich ja Unterstützung.”
„Es ist wichtig, jemanden zu haben”, flüsterte Rudolf Bader und drückte ihre Hand.
„Annabelle ist auch verlobt”, sagte Johanna. „Sie wird bald heiraten.”
Alte Klatschtante, dachte Annabelle, aber es war ihr nicht unrecht, dass sie es nicht selbst hatte sagen müssen.
Rudolf Bader lächelte: „Ich hoffe, dass es eine glückliche Verbindung
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