Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Kuppel, die Baden-Baden nach den Thermen und dem Kasino eine weitere Attraktion hinzufügte, die ihresgleichen suchte. Annabelle wünschte sich sehr, die Frühjahrsrennen mit Paul zu besuchen. Das hatte sie ihm eigentlich vorschlagen wollen, als sie ihn mit der Russin in der Bibliothek gesehen hatte, doch vor lauter Eifersucht hatte sie es dann vergessen. Aber aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.
Links von ihr befand sich der Luftschiffhafen, der auch aus mehreren Glaskuppeln bestand. Die Andockstationen und die Kräne zum Beladen und Betanken der Lastschiffe reckten sich weit in den Himmel hoch. Manche Schiffe landeten nicht, sondern blieben während des Waren- und Treibstoffaustauschs in der Luft, andere legten sich in Trockendocks wie gestrandete Wale. Es gab mehrere Routen, die von hier aus über das ganze Reich bis hin nach Amerika oder Asien führten. Die unterschiedlichsten Schiffe starteten und landeten hier täglich. Die Nähe zum Rhein mit seiner reichen Ausbeute an Æther machte den Hafen sehr begehrt. Luxuspassagierfrachter spuckten die reichen Gäste aus und brachten sie später um einiges ärmer wieder nach Hause. Natürlich verdienten die hier ansässigen Ætherbarone prächtig. Rudolf Bader war sicher ein reicher Mann.
Annabelle bemerkte am Horizont eine Verdüsterung des Himmels. Nach einigen weiteren Minuten Fahrt um ein kümmerliches Wäldchen herum konnte sie den Grund erkennen: Es waren die Schlote der Bader-Werke. Sie ragten viele Meter hoch in den Himmel und stießen schwarze Rauchwolken aus. Die Landschaft veränderte sich, die Bäume sahen kränklich aus und ein grauer Schleier lag auf den Wiesen.
„Da sind die Bader-Werke”, sagte sie zu Johanna.
„Ich war schon einmal hier”, erwiderte Johanna. „Ich finde sie scheußlich.” Otto schob die Mütze zurück und musterte die Fabrik.
„Ja, aber wir brauchen den Æther”, sagte er.
„Ich könnte sehr gut auf Æther verzichten”, behauptete Johanna. „Er ist doch wie ein Fluch. Wenn es den Æther nicht gäbe, dann wäre das mit deiner Hand nicht passiert.”
„Aber er bietet viele Möglichkeiten!”, wandte Annabelle ein. „Wenn ich das mit dem Heilen besser könnte.”
„Du lässt das besser”, sagte Johanna erschrocken. „Das hat dir bis jetzt nur Unglück gebracht.”
„Ich weiß, aber es gäbe so viel Gutes, was ich tun könnte. Der Bader soll ja auch krank sein.”
„Ich werde dir nicht von der Seite weichen, damit du nicht wieder Unsinn machst.” Johanna sagte das in einem merkwürdigen Ton, und Annabelle sah zu ihr. Sie stellte fest, dass Johanna den Kopf sehr hoch hielt und lächelte. So sah sie sonst nur aus, wenn sie in einem Café mit einem Mann am Nebentisch flirtete.
„Ich mach schon keinen Unsinn”, sagte Annabelle. Sie sah zu Otto, aber der hatte die Augen wieder geschlossen.
Je näher sie der Fabrik kamen, umso mächtiger dominierte diese die Landschaft. Eine Ansammlung windschiefer Hütten kauerte sich am Rand der Straße aneinander. Es gab kein Ortsschild, und Annabelle war sich sicher, dass das auch kein regulärer Ort war. Es war nur eine Möglichkeit, ganz nah an der Fabrik zu wohnen; wahrscheinlich waren es Menschen, die nicht aus der Gegend stammten, und nur wegen der Arbeitsplätze hierher gekommen waren. Einige Kinder in grauer Kleidung versuchten, einen bunten Drachen steigen zu lassen. Die lustig flatternden Bänder des mit einfachem Papier bespannten Gestells wirkten hier völlig fehl am Platz.
Man konnte nun die einzelnen Strukturen erkennen, die die Fabrik ausmachten. Annabelle hatte einmal in der Zeitung einen Bericht darüber gelesen. Es gab den Komplex mit den riesigen, nie stillstehenden Dampfmaschinen, der die Energie produzierte, die es brauchte, um den Æther zu raffinieren. Dahinter waren die Hallen mit den Kompressoren, die den Stoff in Fässer pressten. An der Flussseite schließlich griff die Fabrik mit vielen Armen wie ein riesiger Oktopus über den Fluss. An den Armen waren die Trichter, die das Gas ansaugten. Mit Rohren wurde der Æther von den vielen Armen, die sich über hunderte von Metern über den Rhein spannten, in die Fabrik geleitet. Zusätzlich gab es viele Hindernisse, die das Wasser verwirbelten und den Fluss stocken sollten, um die Ausbeute zu vergrößern. Für die wenigen verbleibenden Schiffe hatte man nur eine schmale Schneise am gegenüberliegenden Ufer freigelassen. Vor der Fabrik war ein riesiger Parkplatz mit großen Zufahrten, auf denen unzählige
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