Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
ihren Besuch bei der Quelle im letzten Winter, als sie fast ertrunken wäre und eine merkwürdige Begegnung mit einer Nymphe gehabt hatte. Seither hatte sie nur eine Badewanne genutzt. Sie ging schnell die Stufen hinunter, ließ sich mit einem glücklichen Seufzer ins Wasser gleiten, drehte sich auf den Rücken und ließ sich für einen Moment einfach nur treiben, bevor sie ein paar Schwimmzüge machte. Es war wundervoll, so schwerelos zu sein. Das Bild des Otters, wie er sich im Wasser drehte und kraftvoll vorwärts bewegte, kam ihr in den Kopf. Sie genoss es, ihren Körper ganz zu spüren und mit leichten Handbewegungen ihre Richtung zu ändern.
Valentin zog ein paar Bahnen und ließ sie in Ruhe, bis sie sich schließlich am Beckenrand festhielt und auf ihn wartete.
„Das ist wunderbar”, sagte sie dankbar und er nickte zufrieden. Sie betrachtete ihn, wie er den Kopf in den Nacken legte und das Wasser aus seinen schwarzen Haaren floss. Er sah sie an, und seine Augen erinnerten sie an die Otterfrau an der Quelle, dunkel, unergründlich und tief. Verunsichert glitt ihr Blick weiter nach unten zu seinem bleichen aber muskulösen Oberkörper. Jetzt erst wurde ihr klar, dass er eine typische Schwimmerfigur hatte, breite Schultern, schmale Hüften, sehr kräftige, lange Arme und große Hände. An seinen Armen zogen sich die blauen Adern entlang, dick und prall gefüllt. Sie hätte gerne eine dieser Adern berührt, um ihre Festigkeit zu spüren, die durch den Druck des Blutes entsteht, welches kraftvoll durch seine Adern pumpte. Er sah aus wie eine Statue aus weißem Marmor und ihr Herz schlug schneller.
Stopp, Annabelle, schalt sie sich. Du bist einen Tag von Paul getrennt, und denkst schon über andere Männer nach? Sie schämte sich und tauchte schnell unter Wasser. Mit kräftigen Schwimmstößen durchquerte sie das Becken immer wieder, bis sie sich angenehm erschöpft fühlte.
* * *
Der Tag brachte einen leichten Wind, der den Geruch von Frühling durch Baden-Baden verteilte. Spaziergänger flanierten auf der Allee und bewunderten die Narzissen und Tulpen, die in der Sonne leuchteten. Die Oos plätscherte munter den Schwarzwald herunter in Richtung Rhein und manch einer war versucht, die Pelzmäntel bereits jetzt bis zum nächsten Winter einzumotten.
Paul hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, an der Katalogisierung zu arbeiten, so weit seine Kopfschmerzen es ihm erlaubten. Das Fräulein Sorokin hatte sich ruhig verhalten und ihn nicht gestört. Um den letzten Rest Alkohol aus seinem Kopf zu vertreiben, ging er nun die Allee entlang und ärgerte sich. Warum hatte er sie nicht gefragt, ob sie sich ihm anschließen wolle? Als Gastgeber hätte er ihr auch schon die Stadt zeigen müssen. Er musste das dringend nachholen.
Vielleicht konnte er das seinem Bruder auflasten? Der lechzte offenbar nach Abwechslung. Nein, das war nicht richtig. Das Fräulein war seine Verantwortung, und er fühlte das wie einen Mühlstein um seinen Hals. Aber etwas Anderes konnte er Friedrich vorschlagen: Die Idee war ihm im Bett gekommen, als er sich trotz großer Müdigkeit schlaflos gewälzt hatte. Durch seinen Armbruch war sein Bruder im Moment nicht für den aktiven Einsatz zugelassen, und Paul würde vorschlagen, dass er den Kommissar unterstützen sollte.
Die frische Luft beschleunigte seine Gedanken und er spürte plötzlich so viel Energie, wie schon lange nicht mehr. Der Muskelkater vom Degenfechten, den er in einigen vernachlässigten Körperteilen hatte, förderte nur sein Bestreben, aktiver zu werden. Deshalb der Spaziergang. Noch lieber wäre er mit Annabelle ausgeritten, aber allein machte das nicht annähernd so viel Spaß.
Auch wenn er es eigentlich hatte vermeiden wollen, die Frage nach seinen Träumen war ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es hatte ihn schockiert, als Friedrich ihn mit seinen ”kleinen Spielereien” verglichen hatte. Gestern Abend im Bett war er aber zu dem Schluss gekommen, dass es leider stimmte. Er hatte sich Zeit seines Leben in kleinen Kreisen gedreht, zunächst um sich selbst und dann um Annabelle. Er sollte vorwärtsgehen.
Nach Annabelles Rückkehr wollte er aktiver werden. Der schwebende Zustand ihrer Beziehung belastete ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Es wurde Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und ein Datum für die Hochzeit festzulegen. Die erzwungene Enthaltsamkeit machte ihm zu schaffen. Bevor er Annabelle kennenlernte, hatte er nur flüchtige Begegnungen mit
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