Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
die Informationen über ihren Vater wegfahren. Schnell flocht sie sich ihren Zopf wieder, stand auf und verließ das Zimmer.
Je näher sie der Seite des Hauses gekommen war, an der die Dampfmaschine angebaut war, umso mehr Rohre waren in den Gängen sichtbar. An manchen Stellen gab es Anzeigen, die sie nicht deuten konnte und weitere Schaltkästen. Die Rohre führten in die Wände und entsprangen ihnen an merkwürdigen Stellen. Neugierig verfolgte sie eines und kam an eine Tür, die ihrer Orientierung nach zur Dampfmaschine führen musste. Sie öffnete sie, fand einen Zwischenraum und eine weitere Stahltür. Als sie ihre Hand auf die Klinke legte, spürte sie die Vibrationen und zögerte. Aber dann wollte sie es doch wissen und drückte sie herunter. Die schwere Tür schwang leicht quietschend auf und Annabelle sah in den Anbau mit der Dampfmaschine. Wie ein dunkles stinkendes Lebewesen stampfte die riesige Konstruktion rhythmisch und unermüdlich. Wie Annabelle befürchtet hatte, wurde der Dampf mit Æther vermischt, um eine höhere Effizienz zu erhalten, man konnte das in einigen grünlich leuchtenden Glaszylindern erkennen. Die Arbeiter, die sie sah, waren konzentriert und beachteten sie nicht. Nach der Enge des Hauses und den stillen Gängen war der Geräuschpegel wie ein Angriff und sie zog die Tür schnell wieder zu, bevor sie jemand entdeckte.
Dieses Haus machte sie wahnsinnig! Gab es hier keine Bibliothek? Was taten Valentin und sein Vater den ganzen Tag? Was hatte Valentins Mutter getan? Hatte sie auch hier gelebt? Das Haus hatte so überhaupt nichts Weibliches. An den Wänden hingen immer wieder düstere Stillleben oder Heilige, die auf verschiedene Weisen ihr Leben aushauchten. Endlich hörte sie eine Stimme. Jemand sang. Sie folgte den Lauten und kam an eine Tür. Diese war geschlossen, und Annabelle zögerte einen Moment. Da sang eindeutig eine Frau! Aber irgendetwas stimmte an dem Klang der Stimme nicht. Die Frau sang sich die Seele aus dem Leib, aber es war zu leise. So dick konnte die Tür doch nicht sein?
Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter. Sie konnte nicht anders. Sie wollte nicht stören, war aber auch neugierig. Als die Tür sich öffnete, spähte sie in den Raum. Der Gesang war zwar ein wenig lauter geworden, hatte aber immer noch eine merkwürdige Qualität. Sie blickte in ein mit Kerzen schummrig erleuchtetes, gemütlich eingerichtetes Zimmer. Die vorherrschenden Farben waren rosa und weiß. Vor einem brennenden Kamin befand sich eine Sitzgruppe. Zwei Sessel waren besetzt, auf einem kleinen Tisch vor den Personen befanden sich zwei Gläser und eine kleine Schale Pralinen. Eine der Personen war eine Frau, das konnte Annabelle an dem Hut erkennen. Die andere Person war Rudolf Bader.
Plötzlich erkannte Annabelle den Grund, warum der Gesang so irritierend war. Er kam von einem Grammofon, welches neben Rudolf Bader stand. Sie beobachtete, wie der Mann die Hand erhob und zu der anderen Person herüber reichte. Dort ließ er sie auf der Armlehne des Sessels liegen, auf der wahrscheinlich auch ihre Hand lag. Annabelle fühlte sich plötzlich schlecht, es war nicht richtig, die beiden in so einem intimen Moment zu stören. Aber etwas verwirrte sie, und sie sah genauer hin: Von der Frau schien ein schwaches Leuchten auszugehen! Annabelle kniff die Augen zusammen und vermeinte, die grünen Fäden von aufsteigendem Æther über der Hand der Frau zu erkennen. Vorsichtig schloss sie die Tür und lehnte sich im Gang an die Wand. Was bedeutete das? Hatte Valentin nicht gesagt, dass sein Vater mit zu viel Æther in Kontakt gekommen war, und deswegen krank wurde? Warum setzte er sich aber dem hier aus, und was war mit der Frau, das sie den Æther so aushielt? War sie verdorben? Das waren zu viele Geheimnisse. Sie musste hier weg. Sie orientierte sich und lief los in die Richtung, in der sie ihr Zimmer vermutete, bog etwas zu hastig um eine Ecke und prallte gegen jemanden: Es war Valentin.
„Oh, Entschuldigung”, sagte sie nervös.
„Keine Ursache.” Valentin lächelte. „Wohin des Weges?”
„Ich suche mein Zimmer.”
„Komm, ich zeige dir den Weg.” Ihre Schritte hallten in dem langen Gang unnatürlich laut.
Sie sah seinen Rücken an und all die Worte, die ihr seit den schlaflosen Stunden durch den Kopf gingen, bahnten sich ihren Weg nach draußen: „Valentin, ich möchte nach Hause.”
Er blieb überrascht stehen und sah sie an: „Du bist doch erst hier angekommen!”
Sie blickte
Weitere Kostenlose Bücher