Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Soldat fühlte er sich weit über dem einfachen Arm des Gesetzes der Straße, und trotzdem er sich seinem Bruder gegenüber bereit erklärt hatte, empfand er es ein wenig als Zumutung, bei einfachen Ermittlungen helfen zu müssen. Eine Pause entstand. Dann schien der Mann eine Entscheidung zu treffen.
„Ich bin dankbar, dass das »Amt für Ætherangelegenheiten« mir bei meinen Ermittlungen helfen will. Fangen wir doch gleich an.” In seiner ungelenken Art stand der Polizist auf, nahm einen Mantel von der Garderobe, setzte sich umständlich seinen Hut auf und öffnete die Tür. Da wurde es Friedrich zu bunt.
„Sollten wir nicht vorher einiges klären?”, fragte er ungeduldig.
Der große Mann drehte sich nur halb um und wartete ab.
„Ich bin Ihnen nicht unterstellt”, sagte Friedrich.
„Ich weiß.”
„Ich arbeite so, wie ich es für richtig halte.”
„Tun Sie das”, nickte der Polizist und zuckte dann noch einmal unvermittelt mit den Schultern. Friedrich ging durch die Tür an dem Kommissar vorbei. Ohne sich zu unterhalten oder zu verabschieden verließen sie das Revier und gingen die Straße entlang.
„Wo gehen wir hin?”, wollte Friedrich schließlich wissen.
„Zum pathologischen Institut.”
„Was wollen wir da?”
„Sie sollten die Toten sehen.” Der Kommissar hatte eine seltsame Art zu laufen, als ob seine Beine von Fäden nach oben gezogen wurden.
„Wozu?”
Schneider blieb an einer Kreuzung stehen: „Haben sie schon einen Menschen getötet?”
Was für eine Frage. Einen Moment lang dachte Friedrich daran, dem Mann keine Antwort darauf zu geben. Er hatte keine Ahnung, was das sollte.
„Ja”, sagte er schließlich doch.
Schneider sah stur geradeaus auf den Verkehr: „Was für ein Gefühl ist das?”
„Was soll das? Ich bin nicht hier, um über meine Gefühle zu sprechen.” Friedrich wollte eine Verkehrslücke ausnutzen, aber der Polizist blieb stehen. Widerwillig trat Friedrich wieder zurück.
Schneider wartete eine von massigen Pferden gezogene Brauereikutsche ab: „Der erste Mensch, den ich getötet habe, war ein kleiner mieser Verbrecher, der nicht davor zurückschreckte, Müttern die Einkäufe aus dem Kinderwagen zu stehlen”, erzählte er dann gerade so laut, dass Friedrich ihn verstehen konnte. „Manchmal stahl er sogar den ganzen Kinderwagen, mit Kind, und ließ die beiden einfach irgendwo stehen. Ich war noch ein junger Polizist und habe ihn auf frischer Tat erwischt. Er floh, und ich schoss. Ich wollte ihn nicht töten, aber er wurde unglücklich getroffen und starb, bevor wir einen Arzt finden konnten.
Und obwohl er nur ein mieser Gauner war, der nie in seinem Leben etwas Gutes getan hat, empfand ich eine Art Ehrfurcht vor ihm, als er tot war. Als ob ich ihm etwas schuldete. Ich hatte sein Leben beendet, das ist eine Macht, die man nie vergisst. Und wenn man diese Macht nicht respektiert, dann wird man selbst irgendwann ein schlechter Mensch.
Deshalb werden wir jetzt gemeinsam den Toten den Respekt erweisen. Sie werden sie ansehen und sich dann entscheiden, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Respektvoll.”
Friedrich entschied sich dafür, das nicht zu kommentieren. Er hatte das Gefühl, gerade etwas gelernt zu haben. Vielleicht würde es ja doch keine verschwendete Zeit sein.
* * *
Annabelle hatte nach dem Schwimmen eine Zeit lang gelesen, fand aber erneut keine Ruhe. Sie klopfte noch einmal bei Johanna. Erfreut trat sie ein, nachdem sie die Stimme ihrer Freundin gehört hatte. Überraschenderweise kam ihr Otto entgegen, tippte kurz an seine Mütze und verschwand.
„Was hat Otto hier gemacht?”, fragte Annabelle.
„Ich hatte Probleme mit einer Hutschachtel”, antwortete Johanna und zeigte auf eine braune Lederbox, aus deren geöffnetem Inneren eine ausladende Kreation mit langen Straußenfedern quoll.
„Der Verschluss ging nicht auf.” Wozu brauchte Johanna hier so einen Hut?
„Wo warst du heute Morgen?”, fragte Annabelle, wartete die Antwort aber nicht ab, sondern warf sich auf Johannas Bett und redete weiter: „Ich hasse es hier. Ich möchte so schnell wie möglich weg. Ich war ein wenig unterwegs, und alles ist so leer und dann habe ich den Bader mit einer Frau gesehen, aber ...”
„Du bist undankbar, Annabelle”, unterbrach Johanna. Annabelle blinzelte und schloss ihren offenen Mund. Johanna setzte sich vor den Spiegel auf dem Ankleidetisch und begutachtete ihre Frisur.
„Warum?”, fragte Annabelle schließlich.
„Die
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