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Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)

Titel: Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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beidem.”
    Paul fuhr sich durch die Haare. Oberon kollerte empört und machte seinen Hals ganz lang, um jetzt nach ihm zu schnappen. „Ich kann nicht mehr denken. Das war zu viel Wein nach dem Bier. Ich muss ins Bett”, sagte Paul.
    „Ich auch. Wir sehen uns.” Friedrich tätschelte Titania ein letztes Mal den Hals und verließ den Stall.
    Paul blieb noch einen Moment. Sein Kopf summte. Oberon schnaubte und stand dann ruhig in seiner Box. Nach kurzem Zögern trat Paul nach vorne und lehnte sich an dessen Hals. Das große Pferd hielt still und atmete ruhig.
    „Vielleicht geht ja doch beides”, murmelte Paul. Aber heute nicht mehr.

 
     
    Kapitel 6
     
    Annabelle hatte nicht gut geschlafen. Immer wieder war sie mit dem Gefühl, beobachtet zu werden, aufgewacht, aber wenn sie das Licht einschaltete, war niemand da. Durch die Rohre in ihrem Zimmer zischte manchmal etwas, und während ihres unruhigen Schlafs fiel sie im Traum ewig in bodenlose Tiefen, das Sausen des Fallwinds im Ohr. Sie hatte ihre Taschenuhr neben das Bett gelegt, und als es endlich Zeit für das Frühstück war, ein einsames Mahl mit schweigsamen Dienstboten eingenommen. Wo war Johanna? Mehrmaliges Klopfen war vergeblich geblieben.
    Nun wanderte sie schon einige Zeit durch kahle Gänge mit abgeschlossenen Räumen und suchte jemanden. Sie hatte es satt, allein zu sein und ihr war langweilig. Im Solarium wurde sie von den Vögeln nur stumm angesehen. Das Haus zu erkunden schien eine gute Idee, aber die meisten Zimmer waren verschlossen oder leer. Im obersten Stock fand sie einen Raum, dessen Fensterläden einen Spalt offen standen. Sie öffnete das Glas und drückte die Holzbretter beiseite. Der untere Rand splitterte ein wenig, dann schwangen sie seitlich weg und sie sah über die Landschaft: Schnell zog sie sich zurück und schloss das Fenster. Es war tatsächlich ein meterhoher grüner Nebel weit und breit sichtbar, einige Zungen waberten fast bis zu dem Fenster im dritten Stock hoch, an dem sie stand. Der Himmel war hoch und blau, mit leichten Schäfchenwolken. Annabelle sah über die Ebene, konnte den Rhein aber nicht erkennen, nur erahnen. Die Schornsteine der Bader-Werke ragten braunschwarz über den Nebel. Am Himmel kreisten einige merkwürdig aussehende Vögel: Es schien, als hätten sie keine Federn sondern lederne Schwingen. Sie sah sich im Raum um. Alles war mit weißen Tüchern abgedeckt, aber sie fand einen gemütlichen grünen Sessel und zog ihn vor das Fenster. Wenn sie sich geeignet hineinkuschelte, konnte sie nur den Himmel sehen, und ihre Augen verfolgten das langsame Gleiten der Wolken. Sie löste ihren Zopf und kämmte sich ihr Haar mit den Fingern aus.
    Sie wollte nach draußen, alles in ihr sträubte sich gegen das Eingesperrtsein hier, aber sie würde nicht aufgeben. Rudolf Bader schuldete ihr etwas, er hatte sich schlecht benommen. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie nicht doch eine Ausnahme machen, und eine Heilung versuchen könnte. Der Anblick der Schornsteine hatte ihr noch einmal klar gemacht, wie viele Menschen von Rudolf Bader abhängig waren, und es wäre wirklich eine Katastrophe, wenn die Arbeitsplätze wegfielen. Vielleicht konnte sie den Industriellen auch dazu überreden, die Situation seiner Arbeiter zu verbessern. Es war ihr gestern Abend nicht eingefallen, aber Rudolf Bader konnte auch sich selbst als Bestraften sehen – daher vielleicht seine Verbitterung. Falls seine Krankheit wirklich durch Æther ausgelöst war, und das lag nahe, dann musste seine Logik ihm diese Möglichkeit ja aufzwingen. Noch wahrscheinlicher war, dass Bader sogar den Tod seiner Frau als eine Bestrafung Gottes sah, aber dafür hatte Annabelle keine Anhaltspunkte. Dieser ganze Gedankengang war ihr fremd und zuwider, aber es konnte ihr helfen, Bader besser zu verstehen. Ihr war klar, dass sie den Mann an sich nicht besonders mochte, aber die ganze Situation war unmenschlich, auch für Valentin. Ein Wunder, dass er diesen Verhältnissen nicht längst entflohen war. Eigentlich war es rührend, wie er sich um seinen Vater kümmerte, und sie bewunderte ihn ein wenig dafür. Sie würde es keine Minute lang hier aushalten, ohne triftigen Grund.
    Sie wollte zurück in ihr Zimmer, und wenn sie genau darüber nachdachte, dann wollte sie so schnell wie möglich zurück nach Hause. Sie sehnte sich nach allem dort, und natürlich besonders nach Paul. Aber das bedeutete, sie musste bald mit Rudolf Bader sprechen, sie wollte auf keinen Fall ohne

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