Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Er spürte, dass etwas mit Annabelle geschehen war, und es machte ihn wütend, so hilflos hier zu stehen. Friedrich hatte recht, dachte er: Es wurde Zeit, die Zügel in die Hand zu nehmen. Kurz entschlossen drehte er um, verließ das Haus noch einmal und machte sich auf, etwas zu erledigen, was ihm auf der Seele lag.
* * *
Annabelle blickte direkt in Valentins schwarze Augen. Er sah besorgt aus, und sie erinnerte sich daran, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Sofort zog sie ihre linke Hand an den Körper, obwohl ihr klar war, dass er sie schon gesehen haben musste.
„Wie lange war ich bewusstlos? Wie geht es deinem Vater?”
Valentin saß auf der Kante der Liege, auf die man (er?) sie gelegt hatte. „Ich weiß nicht, wie lange du bewusstlos warst, bevor ich euch gefunden habe”, sagte er. „Ich habe Vater auf sein Zimmer bringen lassen. Er schläft. Was ist passiert?”
„Ach Valentin, ich war dumm.” Sie setzte sich auf. Ihr war schwindelig. Ihre linke Hand fühlte sich empfindlich an. Sie suchte nach ihrem Handschuh, aber als sie ihn fand, konnte sie sich nicht überwinden, den Otter abzunehmen. Sie versuchte sich zu beruhigen, ihr Herz schlug schnell und sie schwitzte.
„Hier, trink etwas”, sagte Valentin und reichte ihr ein Glas Wasser. Dankbar nahm sie es an, trank und fühlte sich tatsächlich besser. Er sah sie so beunruhigt an, und sie fühlte sich genötigt, ihm etwas zu erklären: „Wir haben geredet, dein Vater und ich. Weißt du, ich möchte so gerne wissen, wo mein Vater ist … und dein Vater tat mir leid, ich habe gedacht, ich schau erst mal, vielleicht kann ich ihm ja doch helfen … Aber dann konnte ich es wieder nicht kontrollieren.” Jetzt stiegen Tränen auf. Sie sah hoch in das bunte Glasdach und die Farben verschwammen. Ihr wurde wieder klar, dass das auch hätte schief gehen können – wenn sie ihre Hand nicht kontrollieren konnte, wie konnte sie dann sicher sein, dass sie nicht tötete? Sie knotete den Handschuh in ihren Händen und bemühte sich, tief zu atmen.
Valentin reichte ihr ein Taschentuch und sie wischte sich die Tränen weg. Als sie ihn ansah, konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Er war nicht freudig, aber auch nicht wütend, irgendwie abwesend, nachdenklich.
„Du wirst schon nichts Schlimmes gemacht haben. Du hast es gut gemeint”, sagte er ruhig.
Sie schalt sich eine Närrin. Sie hätte es nicht versuchen sollen, was hatte sie sich dabei gedacht? Was meinte er mit Schlimmes? ”Dein Vater …?”, begann sie ängstlich, aber er unterbrach sie.
„Schsch, es geht ihm gut”, beruhigte er sie. Er rückte näher zu ihr und legte seinen Arm um ihre Schultern. Trotz der schwülen Hitze im Solarium fröstelte sie jetzt und lehnte sich gerne an ihn. Sein Geruch war dunkel und schwer, und er umhüllte sie wie eine dicke schwere Decke, ein stabiler Pelzmantel. Seine Hand berührte ihr Haar. Sie schloss die Augen und atmete tief. Es tat gut, sich einen Moment noch auszuruhen, sich geborgen zu fühlen, verstanden und nicht wie eine Außenseiterin.
Wenn sie es recht bedachte, war Valentin ja auch ein Außenseiter, eingesperrt hier in diesem Haus, mit seinem kranken Vater. Er tat ihr leid, aber sie spürte auch, dass er sie verstehen konnte, dass er sich bemühte, sie ihre Andersartigkeit nicht spüren zu lassen. Sie konnte sich bei ihm fühlen wie das sorgenfreie Kind, welches sie gewesen war, als sie sich zuletzt getroffen hatten.
Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr. Eine Gänsehaut wanderte über ihren Hals herunter.
„Valentin …”, flüsterte sie verwirrt.
„Du bist so wunderschön”, flüsterte er zurück und seine Lippen berührten ihren Hals.
Sie hielt den Atem an und erschauerte. Aber das war falsch! Sie hob die Hand, um ihn abzuwehren, aber er drückte sie sanft herunter und umfing sie fester. Sie erschrak, ließ aber zu, dass er ihren Hals mit kleinen Küssen eroberte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, sie wollte ihn nicht auch noch vor den Kopf stoßen, und ein bisschen neugierig war sie auch, es tat gut, begehrt zu werden. Seine große Hand berührte ihr Gesicht zärtlich und drehte es zu sich. Sie wusste, dass er sie gleich küssen würde. Ihre Lippen öffneten sich, sie spürte seine Erregung wie ein Glas Sekt, welches man zu schnell getrunken hatte.
Sie hatte keinen Widerstand, sie brauchte es so sehr, die Bestätigung, die Erleichterung, die Kraft, die von seiner Leidenschaft ausging. Als seine Lippen die ihren
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