Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
geleitet zu werden.
Nichts von dem Verfall, der um die Figur herum passierte, berührte diese. Sie war so rein, dass sie von innen heraus zu glühen schien. Bei ihrem Anblick wurde Annabelle die Brust eng, sie fühlte sich, als würde sie ersticken und sog verzweifelt Luft ein. Immer mehr Staub sammelte sich in ihren Atemwegen. Sie krümmte sich und hatte den Gedanken, wenn sie nur die Hand der Frau fassen könnte, wäre sie befreit und könnte endlich wieder atmen. Aber je mehr sie sich anstrengte die Hand zu heben, umso schwerer fiel es ihr, sie war zu schwach. Sie sank in die Knie und schloss die brennenden Augen. Tränen liefen ihre Wangen herunter und tropften platzend in den Staub auf dem Boden.
Sie blinzelte und sah ein blaues Leuchten in den feuchten Flecken. Es kam von ihrer Hand, der Stein an ihrem Ring strahlte intensiv blau und die kleinen Splitter, die das Wasser darstellten, in dem der Otter schwamm, glühten und glitzerten. Von ihrer Hand aus, die den Boden berührte, schien die Kirche sich zu reparieren: Zerbrochene Kacheln fügten sich zu einem wunderbaren Mosaik zusammen, frische Farben flossen in verblasste Gemälde und Vorhänge. Der Staub wurde weggewirbelt und hinterließ saubere Frische.
Sie wurde kräftiger, hob die Hand, streckte sich und berührte die Statue. Ein blendendes Licht breitete sich wie eine Aura um deren Körper aus. Annabelle konnte wieder atmen, stand auf und ging mit erhobener Hand im Raum herum. Die blauen Kristalle glühten. Immer schneller veränderte sich alles, Mauern bauten sich auf, Lücken in den Decken schlossen sich. Kostbare Teppiche rollten sich aus, eine Orgel summte leise, Blumen erschienen auf dem Altar und leuchteten mit den bunten Fenstern um die Wette. Annabelle atmete tief ein, der Geruch der Steine wurde nun von einem leichten Weihrauchduft durchzogen, und sie drehte sich zum Aufbrausen der Orgel, ihr blaues und silbernes Licht wie Sternschnuppen verteilend.
Sie lief neugierig in den nächsten Raum, um ihn zu erkunden und prallte zurück: Dort saßen in einem braunroten Halbdunkel, welches von ihrem blauen Licht nur wenig erhellt wurde, einige Männer in grauen Kutten und erhoben sich bei ihrem Anblick. Sie streckten die Hände nach ihr aus und murmelten unheilvoll. Aus den Kapuzen, wo man sonst das Gesicht sehen konnte, drang nur ein grünes Glühen. Die Gestalten bewegten sich zunächst ruckartig und langsam, dann aber immer schneller, und Annabelle floh entsetzt zurück in den Raum mit der Statue. Sie sah nach oben und versuchte das Gesicht der Frau zu erkennen. Aber das Leuchten des Marmors, welches vorher einladend und warm gewesen war, war nun kalt und abweisend und Annabelle fühlte entsetzt einen vorwurfsvollen Blick aus den grün leuchtenden Augen der Frau auf sich ruhen. Sie taumelte einige Schritte zurück und wehrte den Blick mit ihrer Hand ab. Das blaue Strahlen der Kristalle traf den eisigen Blick und zerstäubte in tausend Splitter, die Annabelle trafen und bissen, bohrten, furchtbar kalt, spitze Nadeln, die stachen, immer und immer wieder …
* * *
„Sie haben völlig recht, Fräulein Sorokin.” Paul räumte die Bücher wieder an ihre Plätze.
„Er hat sich so ausgiebig mit Schutzritualen beschäftigt”, sagte Alexandra eifrig. „Es gibt Bücher über das Thema aus aller Welt hier, und viele der Gegenstände haben damit zu tun. Es scheint ihm sehr wichtig zu sein.” Sie war sehr aufgeregt über ihre Entdeckungen und er freute sich, dass sie offensichtlich Spaß an ihrer Arbeit hatte. Er fuhr fort: „Professor Rosenherz hat sich tatsächlich viel mit solchen Mythen und Legenden beschäftigt. Mehr, als wir das ahnen.” Er dachte an einige Vorfälle, die Anlass zu der Vermutung gaben, dass das Haus Rosenherz durch so etwas wie 'Magie' geschützt wurde. Paul betrachtete jedenfalls einige Objekte im Haus mit wachsamen Augen.
„Aber für heute machen Sie Schluss.”
Alexandra sah ihn erschrocken an.
Er wehrte lächelnd ab: „Nein, das geht nicht gegen Ihre Arbeit. Aber mir ist aufgefallen, dass ich meine Gastgeberpflichten vernachlässigt habe. Es tut mir leid, ich bin nicht besonders gut in solchen Dingen.”
Die Russin öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Paul unterbrach sie: „Ich möchte, dass Sie sich umziehen. Ich werde Ihnen ein wenig Baden-Baden zeigen.”
Er führte sie zur Treppe, zog seinen Mantel und Hut an und ging selbst zum Stall, um die Kutsche anspannen zu lassen. Er hatte auf dem Rückweg einen
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