Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
weil man sie unbedingt besitzen wollte. Die Ernte wurde gerade eingefahren, die Luft war voller Staub und sie freute sich auf das Feuer am Abend, wenn die Kartoffeln aus der Glut geholt wurden, und der Geruch aus der schwarzen Kruste entstieg, wenn man sie aufbrach.
Sie legte sich in ein Fleckchen hohes Gras und sah nur noch den blauen Himmel über sich. Die Wolken zogen über sie hinweg und das Getier aus den Halmen krabbelte auf ihr herum. Irgendetwas kratzte an ihrem rechten Ohr und sie hob die Hand um es wegzuwischen, aber die Hand war bleischwer. Es stach sie und sie schlug die Augen auf.
Warum war es dunkel? Sie hörte Geräusche: Ihr Mann schnarchte, und etwas kratzte und schnitt. Sie spürte Bewegungen an ihrem Ohr, aber ihre Gedanken kreiselten haltlos immer schwächer werdend weg. Das Schaben und Schnarren entfernte sich und sie drehte ihr Gesicht in eine merkwürdige Feuchtigkeit. Ihr Herz pochte laut, immer schneller, aber sie wollte keine Luft mehr holen, sollte es doch still werden. Als der Druck zu groß wurde, holte sie noch einmal pfeifend Luft, dann brach der trommelnde Rhythmus und sie starb.
* * *
Annabelle wachte nach Luft ringend auf. Sie hatte wieder diesen Traum gehabt, in dem sie erstickte. Nach dem Aufwachen dauerte es oft mehrere Minuten, bis ihr rasendes Herz sich beruhigte und sie wieder durchatmen konnte. Heute war sie hellwach, schwang sich aus dem Bett und zündete fröstelnd eine Kerze an. Es war tief in der Nacht, das Feuer im Kamin war nur noch ein Häufchen schwach glühender Kohlen.
Wo war Sissi? Normalerweise schlief der Hund bei ihr, aber sie war nicht da. Wahrscheinlich war sie bei Paul unten. Annabelle zog sich einen Hausmantel über und tappte die Treppe herunter. In der Bibliothek schien tatsächlich noch Licht; Annabelle öffnete die Tür und sah Paul am Schreibtisch sitzen. Oder vielmehr schlafen, denn sein Kopf lag auf seinen Unterarmen und er atmete regelmäßig.
Annabelle sah eine Weile auf ihn herunter und versuchte zu entscheiden, ob sie ihn wecken sollte. Der arme Paul! Er arbeitete wie ein Besessener, um endlich eine vollständige Katalogisierung der Sammlung ihres Vaters zu beenden. Seit das »Amt für Ætherangelegenheiten« Anfang März gegründet worden war, war er tagsüber dort, abends war er für sie da und nachts … nun, es war nicht leicht.
Sie hatten noch nicht geheiratet, sie hatten noch nicht einmal ein endgültiges Datum für die Hochzeit festgelegt, trotzdem wohnte er seit den Vorfällen im letzten Winter bei ihr im Haus. Es war von allen Seiten so beschlossen worden – ihr Patenonkel Karl und der Anwalt Peter Falkenberg, Pauls Vater, hätten ihr sonst einen anderen Aufpasser ins Haus geholt.
Annabelle wusste, dass alle sich Sorgen um sie machten. Sie hatte fast einen Menschen getötet und war nahe daran gewesen, den Verstand zu verlieren. Paul stabilisierte sie, sie vertraute ihm völlig und er war einer der wenigen, die wussten, was wirklich geschehen war und worauf man achten musste. Nicht nur bei Annabelle, auch was das Haus anging, welches der verschwundene Professor Rosenherz mit allerlei seltsamen Dingen ausgestattet hatte.
Anstatt nun mit Paul glücklich eine Verlobungszeit zu genießen, waren sie bemüht, den Skandal nicht allzu sehr zu füttern und hielten sich zurück. Tagsüber war das kein Problem, da hatten beide viel zu tun, aber abends und nachts wurde es schon schwieriger. Trotzdem war Annabelle froh, dass Paul hier war, denn manchmal hatte sie das Gefühl, er vertraute ihr mehr, als sie sich selbst.
Sie hatten selbstverständlich getrennte Zimmer und außer Frau Barbara wohnte jetzt auch noch die Krankenschwester Helene Schreiber ständig bei ihnen im Haus. Die Ereignisse des letzten Winters hatten ihrer alten Kinderfrau gesundheitlich sehr zugesetzt. Die Menge an Menschen im Haus machte es schwierig, sich unbeobachtet zu treffen, obwohl Annabelle sich sehr danach sehnte.
„Paul”, sagte sie sanft in sein Ohr und beobachtete, wie er sich aus dem Schlaf ins Bewusstsein kämpfte. Er hob den Kopf und blinzelte.
„Ist was?”, fragte er verwirrt.
Sie schüttelte den Kopf. ”Geh ins Bett”, forderte sie ihn auf, aber er griff nach ihr und zog sie auf seinen Schoß. Sie lehnte sich an ihn und genoss die Berührung.
„Du arbeitest zu viel”, sagte sie leise.
„Ich will alles richtig machen.” Er gähnte.
Sie blies in sein Ohr. Er stöhnte und suchte ihren Mund, um sie leidenschaftlich zu küssen.
„Können wir
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