Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Zögern. Pauls Energien schlossen sie immer ein, aber sie stieß ihn gerade zurück, obwohl er das nicht verdiente. Sie tat ihm weh, aber er war entschlossen, es auszuhalten.
Er ließ ihre Hand los: „Es muss dir nicht leidtun. Alles was ich will, ist, dass du dich von ganzem Herzen entscheidest. Und wenn du das noch nicht kannst, dann ist das eben so. Wir haben Zeit.”
Der Moment war vorbei. Annabelle stand auf. Sie wollte es nicht wirklich, aber sie musste Abstand haben. Paul stand auch auf und wollte in sein Zimmer gehen. Annabelle hielt ihn am Arm zurück.
„Paul …, ich liebe dich.”
Er blickte zurück: „Das hoffe ich. Sonst macht das alles hier keinen Sinn.” Mit diesen Worten verließ er den Raum. Sissi stand auch auf und warf einen kurzen Blick auf ihr Frauchen, dann trottete sie hinter Paul her.
„Verräterin”, murmelte Annabelle. Sie widerstand dem Impuls, Paul schnell nachzulaufen und sich in seine Arme zu werfen. Sie wusste, dass sie sich trotzig verhielt, aber sie war eben noch nicht so weit. Irgendetwas in ihr hielt sie zurück. Sie fühlte noch zu viel Scham, Trauer und Wut. Sie hatte mit den Geschehnissen des letzten Winters noch nicht abgeschlossen, und sie spürte die Augen, die über sie wachten, als enormen Druck auf ihr lasten. Sie brauchte Zeit.
* * *
Klickend, surrend, wirrend, knarzend, schabend, quietschend, klappernd, tickend und scheppernd: das alles und mehr war die Musik des Nests. Beständig sich verändernd, umbauend und in Bewegung. Winzig kleine Zahnrädchen, die immer weiter verbaut wurden, eingebaut, ausgebaut, umgebaut. Unruhen, die sirrend ihre Antriebsrädchen bewegten. Winzige Getriebe, die mit Maschinenöl und Æther geschmiert emsig pumpten. Scharfe Klingen, die sich gegenseitig wetzten; klickende Füße, die den fertigen Körper aus dem Nest trugen, emsig die Aufgaben zu erfüllen, die man ihnen gegeben hatte.
Wenn sie es zurückschafften, langsam hakelig kriechend, vielleicht nur auf drei Beinen, eine kleine Ölspur hinter sich her ziehend, mit nur noch schwach glühendem Ætherherz, wurden sie sofort aufgenommen und ergaben sich widerstandslos der Erneuerung. Um wieder zu erwachen, wenn die Befehle kamen, wenn von der »Obersten Ordnung« endlich die Baupläne weitergegeben wurden, wenn aus den Schrauben und Muttern, den Stangen und Klingen, den Scheiben und Röhrchen und unzähligen Zahnrädchen ein funktionierender Exekutiver wurde, der stolz seinen Einsatz erwartete.
* * *
Überall Dreck und Gestank, ungewaschene und aggressive Menschen, Kranke und Elende, Verzweifelte und Resignierte. Trotz des frischen Windes so hoch oben auf dem Berg an der Ruine der Ebersteinburg stank es nach Unrat.
Annabelle klammerte sich an Pauls Arm und versuchte, die Szenerie zu erfassen, ohne zu genau hinzusehen. Sie hatte niemals damit gerechnet, dass es hier so aussehen würde. Was war hier geschehen, in so kurzer Zeit?
„Es war ein Fehler, hierher zu kommen”, sagte Dr. Burger. Paul Falkenberg nickte: „Aber wir müssen mit ihm sprechen.”
Annabelle raffte ihren Rock, damit er nicht in Berührung mit dem Müll und den vermodernden Speiseresten kam. Eine Frau schob ihren Mann in einem Rollstuhl mühsam den Berg hoch. Viele Kranke auf Krücken humpelten den Weg entlang. Die meisten jedoch waren eigentlich ganz normale Menschen, in verschiedenen Stadien der Verzückung und Verwahrlosung.
„Lassen sie uns durch”, forderte Dr. Burger eine auf dem Weg herumstehende Gruppe auf. „Wir sind vom »Amt für Ætherangelegenheiten«.” Die Männer drehten sich um und starrten teilnahmslos. Sie schwankten mit glasigen Augen hin und her, die Finger drehten rastlos die Perlen der Rosenkränze gegeneinander, die Lippen bewegten sich flüsternd.
„Was ist mit denen los?”, flüsterte Annabelle zu Paul.
„Sie sind abhängig”, flüsterte Paul zurück.
„Wovon?”
„Die Ausstrahlung von Hartmann macht wohl süchtig.”
Die Männer rückten gerade so weit zur Seite, dass Annabelle und ihre Begleiter sich einzeln durch die Gruppe quetschen konnten.
„Vater unser, der du bist im Himmel …”, hörte Annabelle die Männer murmeln. „Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.”
„Die Leute hier sehen krank aus”, sagte Annabelle entsetzt.
Paul nickte: „Sie vergessen zu essen und zu trinken. Sie vergessen alles. Jeden Tag sterben hier welche, einfach an Schwäche und Auszehrung.”
„Das ist ja furchtbar.” Annabelle betrachtete eine Gruppe junger
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