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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jelinek
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    Noch wandert nur seine „Theologia“ ins Feuer, nicht er. Abaelard verlässt die angesehene Königsabtei von Saint-Denis, in der es überaus weltlich zuging, und gründet rund 120 Kilometer südöstlich von Paris am Flüsschen Ardusson eine Einsiedelei, die er „Paraklet“ (nach der griechischen Bezeichnung für den „Heiligen Geist“) nennt. Zahlreiche Schüler und Verehrer begleiten Abaelard und leben rund um die Klause in einfachsten Hütten und Zelten, um seine Vorträge zu hören und mit ihm zu diskutieren. Friedrich Wilhelm Bautz schreibt in seinem „Biographischen-Bibliographischen Kirchenlexikon“: „Abaelard lebte in beständiger Angst vor einer neuen Synode gegen ihn und fürchtete seinen Hauptgegner, den Abt Bernhard von Clairvaux. Er nahm darum 1128 die Wahl zum Abt des Klosters Saint-Gildas-en-Rhuys in der Bretagne an.“ Da Paraklet verwaist war, schenkte Abaelard seiner Frau Heloisa und den übrigen Nonnen das bescheidene Koster, das sie im Lauf der Jahre als Äbtissin zu hoher Blüte brachte. In den „Liebesbriefen“ wird ein steter Wandel der Beziehung spürbar, von Brief zu Brief wird die einst ausgelebte sexuelle Anziehung zur fernen Erinnerung. Äbtissin Heloisa transponiert die Liebe zu Abaelard auf die geistige und geistliche Ebene und sie erbittet – und erhält – Regeln für das Leben im Kloster, Abaelard schreibt hunderte Lieder für die Nonnen von Paraklet. Sie wiederum führt ihren Geliebten durch die Gärten des Klosters. Aus der Einöde ist ein blühendes Gut entstanden. „Denn mein Herz ist nicht bei mir, sondern bei dir, und wenn es nicht bei dir ist, ist es nirgendwo.“
    Das Nonnenkloster sollte mehr als 700 Jahre bestehen und wird erst in der Französischen Revolution durch die Jakobiner enteignet. Die Gebäude werden bis 1794 fast vollständig abgetragen. Nur der etwas abseits gelegene Gutshof übersteht auch die Revolutionsjahre.
    Abaelard ist in den Jahrzehnten bis zu seinem Tod praktisch immer auf der Flucht. Er muss seinen Konvent verlassen, da ihm feindlich gesinnte Klosterbrüder nach dem Leben trachten und ihn vergiften wollen. Wieder geht er um 1136 nach Paris zurück, lehrt im „lateinischen Quartier“ („Quartier Latin“) am linken Seine-Ufer, dort, wo später die Pariser Universität Sorbonne gegründet werden wird. Obwohl er berühmte Zeitgenossen – drei zukünftige Päpste – um sich schart und sein Ruf als genialer Denker weit über Paris hinaus reicht, bleibt sein Leben eine Kette von Niederlagen. Nur vier Jahre später muss der Theologe und Philosoph abermals vor einem Konzil erscheinen. Er ist der Ketzerei angeklagt. Dieser Vorwurf kann das Leben kosten. Wieder glaubt er sich im akademischen Diskurs gegen seinen Gegner Bernhard von Clairvaux überlegen. Wieder überschätzt er die Macht seines Denkens im Kampf gegen die Macht der Kirchenhierarchie.
    Abaelard entgeht der Verurteilung zu lebenslanger Klosterhaft, Exkommunikation und der Verbrennung sämtlicher Werke nur durch den Auszug aus der Kathedrale von Sens. Mithilfe von Freunden will Abaelard nach Rom ziehen und von Papst Innozenz II. eine Revision des gegen ihn gerichteten Urteils erwirken. Doch er kommt – körperlich und seelisch am Ende – nur bis zur Abtei von Cluny. Dort steht er unter dem Schutz seines Freundes, des Großabts Petrus Venerabilis. Dieser wird ihn auch nach seinem Tod von allen Sünden lossprechen: „Ich, Petrus von Cluny, der ich Petrus Abaelardus als Mönch in Cluny aufnahm und dessen Leib ich heimlich überführen und der Äbtissin Heloisa und den Nonnen des Paraklets aushändigen ließ, spreche ihn kraft meines Amtes los von allen seinen Sünden.“
    So wird Abaelard im Nonnenkloster Paraklet begraben, endlich vereint mit seiner Geliebten und Ehefrau Heloisa, die ihm 20 Jahre später in die gleiche Gruft nachfolgt. Die sterblichen Überreste des Paares werden mehrfach umgebettet und 1817 auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise in einem Sarg beigesetzt. Auf dem neugotischen Grabdenkmal wurde die Inschrift eingraviert: „Einziger, Liebster, leb wohl.“
    Die besonders im 18. Jahrhundert romantisch überhöhte und mehrfach in Romanen ausgeschmückte Liebesgeschichte des Abtes und der Nonne überdeckt die kirchenhistorische Bedeutung Abaelards und vor allem die „moderne“ Intellektualität seiner Geliebten Heloisa.
    Werner Robl bemüht sich in seiner Analyse um eine Korrektur: „Namhafte Theologen und Philosophen – selbst so berühmte wie Petrus

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